Geschichte: James Bond gegen Napoleon

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Ein Forscher zeigt, wie ein schottischer Mönch zum britischen Geheimagenten wird, den Tiroler Aufstand 1809 finanziert und den Illuminaten Berühmtheit verschafft.

Napoleon persönlich fragte 1805 beim Papst an, ob er nicht einen schottischen Benediktinermönch namens Maurus aus Regensburg entfernen möge. Er erschien ihm dort, wo der Sitz des Immerwährenden Reichstages war, zu mächtig. Maurus saß im bayerischen Regensburg im Zentrum der Macht. Er bekam geheime Informationen aus beinahe ganz Europa. Denn hier tagten die Vertreter aller Fürsten-, Herzog- und Königtümer des Heiligen Römischen Reiches über fast 150 Jahre lang. Die Delegierten aller Kleinst- und Kleinstaaten des Reiches hielten ständige Botschaftskonferenzen ab – am ehesten vergleichbar mit der heutigen UNO. Maurus spionierte dort vom Schottenkloster Regensburg aus schon seit 1790 im Auftrag seiner britischen Majestät, König George III. Was genau der Mönch herausfand, erforscht der Innsbrucker Historiker Claus Oberhauser in seinem vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) geförderten Einzelprojekt.

Fest steht, dass der Mönch als eine Art „Vorgänger von James Bond“ bezeichnet werden könne, sagt Oberhauser: „Die Briten wollten in Kontinentaleuropa ihre Feinde und Freunde besser kennenlernen.“ Und nicht nur das: Mit erheblichen finanziellen Mitteln unterstützten sie ihre Freunde. Das britische Reich beeinflusste Abstimmungen im Reichstag durch Bestechung oder zettelte Aufstände an. Maurus führte für die Interessen seines Königs ein Doppelleben: als braver Benediktinermönch und als Geheimagent mit der Lizenz zum Bestechen.

Ein Brief an den Papst

Napoleon befand sich um die Jahrhundertwende im Krieg gegen Russland, Spanien, Holland, Österreich, Preußen, das Osmanische Reich und England. Maurus intrigierte unterdessen tatkräftig für die Briten. Gegen Geld ließen sich im Reichstag der Kleinststaaten immer wieder Gegner Frankreichs finden. 1805 wurde es Napoleon zu viel. Er schrieb dem Papst. Damit gelang ihm die Absetzung des Mönches.

Maurus nahm daraufhin wieder seinen bürgerlichen Namen, Alexander Horn, an und konzentrierte sich auf die Aufgaben eines Geheimagenten. Horn spionierte in Linz, Brünn, Wien, Znaim und Tirol. Freilich agierte er nicht mit seinem richtigen Namen. Sein Deckname war Bergström – Mister Bergström. Mister Bergström stand etwa beim Aufstand von Andreas Hofer auf der Seite Tirols. Er verschaffte Hofer englisches Geld. Der Kampf gegen Napoleon sollte weitergehen. Das ist ihm auch gelungen: Die englischen Gelder finanzierten Hofers Kampf weiter. „Das Andreas-Hofer-Thema muss die Forschung umdeuten, weil man weiß, dass Geld aus England floss. Es wird vom regionalen zu einem europäischen Thema“, sagt Oberhauser. Obwohl noch nicht gesichert sei, wie viel Geld in Tirol ankam, bestehe kein Zweifel an der britischen Finanzspritze.

Der Name Bergström taucht immer wieder in den Akten zur Tiroler Geschichte auf. Auch bei der Alpenbundverschwörung: Der Alpenbund war eine Tiroler Widerstandsbewegung gegen Napoleon, nachdem Andreas Hofer hingerichtet worden war. Die Bewegung wurde von Erzherzog Johann angeregt. Dieser durfte, als die Verschwörung aufflog, Tirol nicht mehr betreten. Erst das machte den Erzherzog später zum „steirischen Prinzen“. Horn spielte eine entscheidende Rolle im Alpenbund. Welche genau, muss Oberhauser noch herausfinden.

Doch Horn wäre kein „Vorgänger von James Bond“, führte er kein drittes Leben. Er handelte mit Büchern, Manuskripten und alten Drucken. Sein Geschäftsmodell war simpel: Er kaufte seinen Ordenskollegen Bücher zu Spottpreisen ab oder stahl sie aus den Klosterbibliotheken. Danach verkaufte er sie an seine Auftraggeber auf den britischen Inseln. Bücher waren die wichtigste Informationsquelle der Zeit. Adelige und Gelehrte bestellten bei Horn die gewünschten Werke.

Beweise einer Verschwörung

So auch John Robison, ein schottischer Naturphilosoph: Robison veröffentlichte 1797 ein folgenschweres Buch. In den „Beweisen einer Verschwörung“ stellte er die Theorie auf, dass die bayrischen Illuminaten die Französische Revolution ausgelöst hätten. Verschwörungstheoretiker rezipieren dieses Buch heute noch weltweit. Horn ließ Robison alle Unterlagen zukommen, die er dafür brauchte: „Ohne Alexander Horn gäbe es womöglich keine Illuminaten-Verschwörungstheorien“, sagt Oberhauser, der sich in den nächsten Jahren noch eingehender mit Maurus alias Alexander Horn alias Mr. Bergström beschäftigen wird.

Die Geschichte des Geheimagenten zu Napoleons Zeiten könnte ebenso gut der Feder des James-Bond-Autors Ian Flemming entstammen. Tatsächlich gibt es im „echten“ Leben einige Parallelen zwischen ihm und Oberhauser: Flemming besuchte als 19-Jähriger eine Privatschule in Kitzbühel, jenem Ort, aus dessen Umgebung der Historiker Claus Oberhauser abstammt. Später einmal sollte eine Figur in Flemmings Werken Oberhauser heißen. Und der „echte“ Oberhauser jagt nun die historische James-Bond-Figur in Archiven und Akten aus der Vergangenheit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2015)

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