Zoologie: Die Suche nach dem heiligen Aal

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Forscher fanden erstmals ein Laichgebiet tropischer Aale. In Aquakulturen kann man die Fische nicht züchten, doch die weltweit steigende Nachfrage nach Aalfleisch muss gedeckt werden. Nur durch Forschung kann man sie schützen.

Schon einmal geräucherten Aal gegessen? Vielleicht in Holland, wo diese Spezialität Tradition hat? Man kann sogar bei uns geräucherten Aal um 50 Euro pro Kilo über das Internet bestellen. „Die Nachfrage nach Aal steigt in vielen Teilen der Welt“, sagt Robert Schabetsberger vom Fachbereich Zellbiologie der Uni Salzburg. Er ist seit Jahren auf der Suche nach dem Heiligen Gral der Aalforschung: den Laichplätzen dieser mysteriösen Fische.

Vom europäischen und amerikanischen Aal ist seit den 1920er-Jahren bekannt, dass sie bis zur Sargassosee südlich der Bermuda-Inseln zum Paaren und Laichen wandern. 4000 bis 7000 Kilometer schwimmen die Aale aus dem Süßwasser in Europa und Amerika über den Atlantik, um am Ende ihres Lebens in der Sargassosee Junge zu zeugen. „Wie sich Aale in freier Wildbahn vermehren, hat bis heute noch niemand beobachtet“, sagt Schabetsberger. Man weiß nur, dass alle Larven sich von dort mit den Atlantikströmungen in Richtung Süßwasser treiben lassen.

Aale riechen das Süßwasser

Mit welchen Methoden sich die Tiere im freien Ozean orientieren, weiß auch niemand. Bloß, dass sie das Erdmagnetfeld spüren und ihr Geruchssinn umwerfend ist: Jungtiere können das Süßwasser wohl riechen. „Aale fressen sich im Süßwasser ihr Leben lang fett, damit sie für die lange Wanderung genug Energie haben. Sobald sie im Meer sind, fressen sie nicht mehr. Erst während der langen Wanderung reifen Eier oder Spermien. So eine Reise schafft ein Tier nur einmal im Leben“, sagt Schabetsberger.
In Japan gelang es Forschern, einige Aale durch Hormongabe geschlechtsreif zu machen, Eier zu befruchten und die Larven aufzuziehen. Ihre Überlebenschancen waren aber noch viel zu gering für eine kommerzielle Zucht.

Die einzige Möglichkeit für Aquakulturen ist, jungen Aale auf der Reise ins Süßwasser aus den Flüssen zu fischen, um sie kontrolliert wachsen zu lassen, bis sie groß genug für den Verzehr sind. „Sogar die kleinen, durchsichtigen Glasaale, so heißen die Jungtiere, die fast wie Nudeln aussehen, sind als Delikatesse begehrt.“

Der europäische Aal steht wegen Überfischung und Zerstörung seines Lebensraums seit einigen Jahren auf der Roten Liste der gefährdeten Arten, auch beim amerikanischen und japanischen Aal gibt es dramatische Verluste. Daher nehmen die restlichen Aalarten – im Interesse der Fischer und Vermarkter, die die Nachfrage irgendwie decken wollen – zu. Die pazifischen Aale, die das Spezialgebiet von Schabetsberger sind, wurden bisher kaum erforscht. Doch um sie zu schützen, müsste man sie erst kennenlernen. Niemand wusste, wo die Tiere sich zum Paaren und Laichen treffen, wie ihr Lebenszyklus abläuft oder wie die Junglarven aus dem Pazifik wieder ins Süßwasser der verschiedenen Inseln gelangen. Vor drei Jahren gelang einem internationalen Team unter Salzburger Führung erstmals, an frei lebenden Tieren Satellitensender zu befestigen, um Daten über die Reise in den Ozean zu bekommen.

Mithilfe der lokalen Bevölkerung auf der kleinen Insel Gaua im Inselstaat Vanuatu östlich von Australien wurden sieben geschlechtsreife Aale gefangen. Die Sender, die so klein wie ein Tischtennisball sind, hafteten drei Monate an den Tieren. Ein Sender tauchte 870 Kilometer weiter östlich im Pazifik auf, die anderen lösten sich vorzeitig. Die genaue Route ist nicht bekannt, weil unter Wasser keine GPS-Signale möglich sind.

„Wir kannten nun die Richtung, aber nicht den endgültigen Laichplatz“, sagt Schabetsberger. Mit Unterstützung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften konnten im Jahr darauf weitere acht Aale gefangen und mit Sendern versehen werden. Kostenpunkt: fast 4000 Euro pro Sender. Diesmal blieben die Sender bis zu fünf Monate an den Tieren.

Junge Aale klettern über Felsen

„Zwei Aale zogen wieder in das gleiche Gebiet wie 2012, nicht weiter als 874 Kilometer nordöstlich von Gaua. Genau in diesem Abschnitt des Pazifiks wurden von japanischen Forschern auch junge Larven gefunden. Die Indizien, dass hier das Laichgebiet dieser pazifischen Aale liegt, sind überzeugend“, sagt Schabetsberger.

Ein weiterer Hinweis sind die erstmals mit genetischen Methoden erkannten Hybride der zwei Aalarten aus Gaua. Beide nutzen anscheinend dasselbe Laichgebiet, manchmal kommt es wohl zur Vermehrung zwischen zwei artfremden Tieren. Wie die Paarung dieser Fische genau abläuft, bleibt weiterhin im Dunkeln. Wahrscheinlich schlängelt sich das Männchen um das Weibchen, dieses gibt die Eier ins Wasser ab, wo sie vom Männchen befruchtet werden.

Auch die Reise der Jungtiere ist schlecht erforscht. Wie schwimmen die wenige Zentimeter kleinen Jungaale über Flüsse und Felsen die Inseln hinauf? Der Letassee auf Gaua, wo Schabetsbergers Team die Forschungen betreibt, liegt – wie für diese Region typisch – in einem Krater, neben einem aktiven Vulkan.

„Die einzige Verbindung zum Meer ist ein 120 Meter hoher, tosender Wasserfall. Wir wundern uns ja, dass die erwachsenen Aale dort den Kopfsprung hinunter überleben. Doch die Glasaale klettern zu Tausenden im nassen, steilen Felsen neben dem Wasserfall hinauf.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2015)

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