Kurzschluss im Magnetfeld

Sonne
Sonne(c) EPA (Nasa)
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Grazer Astrophysiker untersuchen magnetische Wolken, die von der Sonne ausgehen und das Magnetfeld der Erde massiv stören können. Dadurch entstehen Schäden in Millionenhöhe. Ziel der Forschungsprojekts ist eine Prognose des Weltraumwetters. von Petra Paumkirchner

Wie lange wird es eigentlich noch dauern, bis wir nach dem Wetterbericht noch eine Vorhersage des Weltraumwetters präsentiert bekommen? Glaubt man Christian Möstl und seinen Kollegen am Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Graz, nicht mehr allzu lange. Dann werden Massenauswürfe aus der Korona, der äußersten Schicht der Sonnenatmosphäre und deren Auswirkungen auf die Erde prognostizierbar sein. Jedenfalls arbeiten Astrophysiker weltweit daran. „Zumindest ist dies das langfristige Ziel der Forschung“, so der Grazer Jungforscher Möstl, der sich zusammen mit Helfried Biernat, Christiane Miklenic sowie Manuela Temmer und Astrid Veronig vom Institut für Physik der Uni Graz in einem FWF-Projekt mit magnetischen Wolken und ihren solaren Ursprüngen beschäftigt.

Durch die 2006 gestartete NASA-Mission „Stereo“ lassen sich solare Eruptionen erstmals in ihrem dreidimensionalen Aufbau erfassen und auf ihrem Weg von der Sonne zur Erde verfolgen. So gelang es, die magnetische Struktur in einem Querschnitt einer magnetischen Wolke zu untersuchen. Möstl erstellte ein Modell, das sich so einstellen lässt, dass es mit den Beobachtungen sehr gut übereinstimmt.

Aber wozu das Ganze? Reine Lust am Forschen? Zwischen 1994 und 1999 machten Schadenersatzforderungen an Versicherungen für den Ausfall von Satelliten 500 Millionen Dollar aus. 1994 und 1997 wurden drei Kommunikationssatelliten zerstört, ihre Erneuerung kostete 600 Millionen Dollar. Im März 1989 fiel in Quebec in Kanada und in New Jersey das Stromnetz aus. In Quebec waren sechs Millionen Einwohner neun Stunden ohne Strom. Ursache für all diese Ereignisse war direkt oder indirekt das Weltraumwetter, genauer gesagt: durch von der Sonne verursachte geomagnetische Stürme.

Die Korona ist mit ein bis zwei Millionen Grad Celsius so heiß, dass sie selbst durch die gewaltige Schwerkraft der Sonne nicht zusammengehalten werden kann. Ständig dampft hoch ionisiertes Gas ab, das als Sonnenwind bezeichnet wird. Dieser bewegt sich Richtung Erde, trifft auf das Erdmagnetfeld und umströmt dieses.

Da die Sonne aber nicht stillsteht, sondern rotiert, ändern sich die Sonnenwindströme; große Eruptionen wirken sich dramatisch auf diese Veränderungen aus. In die Korona sind Schläuche aus relativ kaltem Gas eingebettet, die sich plötzlich von der Sonne lösen können und mit hoher Geschwindigkeit davonfliegen. Man spricht von koronalen Massenauswürfen. Sie bewegen sich durch das Sonnenwindplasma zur Erde. „Im Mittel brauchen sie dafür zwei bis fünf Tage“, erklärt Möstl. „Abgeschossen werden sie mit bis zu 2500 km/s; auf das Erdmagnetfeld treffen sie mit ungefähr 400 bis 2000 km/s.“


Durchlöcherter Schutzschild. Dabei können nach Süden gerichtete Magnetfeldlinien entstehen, die antiparallel zu den nach Norden gerichteten Erdmagnetfeldlinien sind. So kommt es zu einem magnetischen Kurzschluss: Der Schutzschild der Erde ist durchlöchert, Störungen sind die Folge.

Möstl gelang es nun, den inneren Aufbau der magnetischen Wolken zu rekonstruieren. Denn genau diese magnetischen Eigenschaften bewirken auf der Erde die fatalen Folgen – von der Zerstörung von Satelliten und Transformatoren über den Ausfall der Kommunikation und Navigation bis hin zu Schäden an Ölpipelines. Im Rahmen der Stereo-Mission stehen erstmals zwei zusätzliche Raumsonden für 3-D-Messungen zur Verfügung. Sie entfernen sich von der Erde, die eine nach Westen, die andere nach Osten. „Die magnetischen Wolken zeigen innen gerade Magnetfeldlinien, während sie außen spiralförmig sind“, berichtet Möstl. „Das Magnetfeld dieser Wolken ist viel geringer als in jedem Spielzeugmagneten.“ Wie lassen sich damit aber die weitreichenden Auswirkungen erklären? „Dort, wo der Sonnenwind auf das Magnetfeld der Erde trifft, haben beide in etwa dieselbe Stärke, Änderungen im Sonnenwind können sich daher leicht auf die Magnetosphäre auswirken. Am Erdboden ist das Magnetfeld stärker und nimmt nach außen hin ab. Wenn sich das Erdmagnetfeld nun zeitlich ändert, entstehen elektrische Felder, die groß genug sind, um Ströme in Hochspannungsleitungen zu erzeugen, welche dann die Transformatoren schädigen oder Ölpipelines korrodieren lassen.“

Durch Beobachtungen der Sonnenatmosphäre mit dem Sonnenteleskop am Observatorium Kanzelhöhe auf der Gerlitzen in Kärnten der Universität Graz stellte die Forschungsgruppe fest, dass die magnetischen Wolken während der Eruptionen entstehen. Bis wir aber diese Eruptionen vorhersagen können, werden darüber noch einige Forscherköpfe brüten müssen. Christian Möstl mit seinem erfolgreichen Projekt ist einer davon.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2009)

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