Ruinieren Klima und Politik Syrien heute so wie einst Assyrien?

Wueste
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US-Forscher zeigen frappante Parallelen: Das einst mächtigste Reich der Erde zerfiel, weil es sich selbst so geschwächt hatte, dass es einer Dürre nichts entgegensetzen konnte. Und das heutige Syrien zerfällt (auch), weil es das Land ausgetrocknet hat.

„Der Regen war dieses Jahr verringert, und keine Ernte wurde eingebracht; das ist ein gutes Omen für das Leben und Wohlergehen des Königs, meines Gottes.“ Das schrieb der Astrologe und Priester Akkulanu im Jahr 657 v. Chr. an Assyriens Herrscher Assurbarnipal, vielleicht kam die seltsame Logik daher, dass er sich bei der Wettervorhersage vertan hatte und um sein Leben fürchten musste. Zehn Jahre zuvor hatte er den König noch für reiches Regenspenden gepriesen, der hatte es bei der Thronbesteigung auch selbst getan. Vermutlich war das Propaganda, irgendwann ließ sie sich nicht mehr halten, die Dürre dauerte zu lange. Sie brachte das bis dahin größte Reich der Geschichte – es reichte von Anatolien bis Ägypten – ins Wanken, erst brachen Revolten aus, dann ein Bürgerkrieg, 612 fiel Ninive, fiel das Reich.
Des Klimas wegen? Da musste schon mehr zusammenkommen, Adam Schneider (UC San Diego) hat es im Vorjahr bilanziert (Climatic Change, 6. 11.): König Sennacherib blähte ab 704 v. Chr. die Metropole Ninive auf, auch mit Zwangumsiedlungen, über eine halbe Million Menschen wurden deportiert, aus Agrarland im Norden. Das war selbst fragil, in normalen Jahren fiel gerade genug Regen für den Anbau von Weizen. Nun war es weithin entvölkert, und die große Stadt musste doch versorgt werden. Auch mit Wasser: Sennacherib sah das von ihm verursachte Unheil kommen, er suchte Abhilfe, mit einem riesigen Kanalsystem, es misslang.

Überwachstum der Städte

Immerhin, der assyrische Herrscher hatte es versucht, das unterscheidet ihn von den heutigen Herren der Region, ansonst sind die Parallelen frappant, Schneider deutete es an, Colin Kelley (UC Santa Barbara) und Richard Seager (Columbia University) detaillieren es (Pnas 2. 3): Im Winter 2006/2007 begann eine dreijährige Dürre, die ärgste seit Langem. Sie traf vor allem Syrien, die Landwirtschaft in den Kornkammern des Nordostens brach ein – mit Weizen wurden 2003 25 Prozent des Nationalprodukts erwirtschaftet, 2008 17 –, die Hirten verloren ihre Herden. 1,5 Millionen Landbewohner suchten ihr Heil in den Städten, die quollen ohnehin über von 1,2 bis 1,5 Millionen Flüchtlingen aus dem Irak. Zudem waren die Geburtenraten hoch: Im Jahr 2002 lebten in Syriens Städten 8,9 Millionen Menschen, 2010 waren es 13,8.
Erst explodierten die Lebensmittelpreise – bei Reis und Weizen verdoppelten sie sich von 2007 auf 2008 –, dann, 2011, explodierte alles, in den Städten begannen Aufstände. Des Klimas bzw. seines Wandels wegen? So interpretiert Solomon Hsiang (UC Berkeley) die Befunde Kelleys/Seagers: „Das ist die erste wissenschaftliche Arbeit, die zeigt, dass der anthropogene Klimawandel das Risiko sozialer Unruhen und Gewalt verändert.“
Ebendas will Hsiang selbst seit Jahren zeigen – in Afrika habe die globale Erwärmung die Aggressivität gehoben, allein durch die Wärme, nicht durch Dürre –, er liegt darüber in so heftigem wie langem Streit mit Kollegen (Science 341, S. 444). Und Seager interpretiert seine Arbeit auch ganz anders: „Wir sagen nicht, dass die Dürre den Krieg verursachte. Wir sagen, dass sie hinzukam zu vielen anderen Stressoren, sie hat die Dinge über die Schwelle in den offenen Konflikt getrieben. Und eine so ernste Dürre wurde viel wahrscheinlicher durch das anthropogene Austrocknen der Region.“

Übernutzung des Grundwassers

Das begann unter Hafez al-Assad, er regierte von 1971 bis 2000. Und er trieb die Landwirtschaft voran, mit Landverteilung, Bewässerungsprojekten und subventioniertem Diesel: Mitte der Neunzigerjahre konnte Syrien sich selbst mit Weizen versorgen. Der Preis war hoch, Syriens Landwirtschaft hängt zu einem Drittel an Grundwasser. Das wurde übernutzt, legal und illegal. Und als die Niederschläge ausblieben, konnte kein Grundwasser mehr einspringen. Es war einfach nicht mehr genug da, anders als in früheren Jahrzehnten, da man auch unter Dürren gelitten hatte.

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