Siebenmeilenstiefel statt Trippelschritte

Hannes Androsch
Hannes Androsch(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Zwischenbilanz. Vor vier Jahren wurde die Strategie für Forschung, Technologie und Innovation (FTI) der Bundesregierung verabschiedet. Österreich droht aber weiter zurückzufallen, sagt der Vorsitzende des Forschungsrats, Hannes Androsch.

Die Presse: Im Sommer haben Sie von Verantwortungsaversion gesprochen, weil die Ziele der FTI-Strategie nicht erreicht werden können. Wie sieht Ihr Resümee heute aus, wie fit sind wir für die Zukunft?

Hannes Androsch: Wir wollen zwar an die Spitze, sind aber ins europäische Mittelfeld zurückgefallen. Dies zeigt sich in vielen Rankings, selbst wenn man diese nicht überschätzen will. Das äußert sich etwa in einer schwächer gewordenen Innovationsdynamik. Im European Innovation Scoreboard sind wir von Platz sechs auf Platz elf zurückgefallen.

Mit welchen Konsequenzen?

Wir fallen bei der Wettbewerbsfähigkeit zurück, während andere Länder wie die Schweiz, Dänemark, Schweden, die Niederlande oder Deutschland ganz weit vorn zu finden sind. Daher haben wir eine Wachstumsstagnation, eine Explosion der Arbeitslosigkeit und eine zunehmende Schieflage der öffentlichen Finanzen.

Was machen diese Länder besser? Macht allein das Geld den Unterschied?

Sie wirtschaften besser. Daher haben sie bei geringerer Steuerbelastung und geringerer Staatsverschuldung mehr Geld für Zukunftsaufgaben: für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Universitäten. In der Folge haben sie eine größere Innovationsdynamik, mehr Wachstum und weniger Arbeitslosigkeit.

Das Ziel, die Forschungsaufwendungen in Österreich bis 2020 auf 3,76 Prozent zu steigern, liegt in weiter Ferne. Hat das Lippenbekenntnis noch Sinn?

Wir haben jetzt sozusagen Halbzeit. Einige Jahre haben wir uns dem angepeilten Ziel genähert, inzwischen herrscht Stagnation. Jetzt müssen wir uns trotz aller budgetären Probleme am Riemen reißen, um eine Trendumkehr herbeizuführen. Wie der Rechnungshof in 599 Beispielen anführt, könnten wir 18 Milliarden Euro, das sind sechs Prozent des Sozialprodukts, einsparen, weil diese Mittel sinnlos oder wenig effizient ausgegeben und vergeudet werden. Das Geld ist da, nur die Verwendung und Prioritätensetzung sind falsch.

Wie stark müssten die Ausgaben steigen, damit man aus der Stagnation wieder auf die Überholspur kommt?

Das geht nur schrittweise. Ich will da gar keine Beträge nennen, das muss der Finanzminister entscheiden. Mit einem einzigen großen Schritt werden wir das nicht erreichen. Da würde man sich eine Zerrung zuziehen. Aber Siebenmeilenstiefel würden wir jetzt schon brauchen. Mit Trippelschritten, sofern solche überhaupt gemacht werden, ist das nicht zu erreichen.

Allerdings fallen wir auch im Global Innovation Monitor, den der Rat herausgibt, zurück. Was passiert, wenn nichts passiert?

Dann fallen wir noch weiter zurück und werden finanziell irgendwann auf allen Ebenen gegen die Wand knallen. Die Sirtaki-Klänge werden lauter.

Wie geht es den Unis als Hauptträgerinnen der Forschung – Sie fordern hier mehr Autonomie, hilft das auch der Forschung?

Die Forschung ist in Österreich nicht schlecht aufgestellt. Aber es ist immer alles noch weiter verbesserbar. Hier geht es vor allem um einen vernünftigen Finanzierungspfad. In der Strategie der Regierung von 2011 war ein Forschungsfinanzierungsgesetz vorgesehen. Dafür gibt es bis heute nicht einmal einen offiziellen Entwurf.

Was genau war vorgesehen?

Dass man einen Finanzierungspfad verbindlich festlegt, an dem sich die einzelnen Einrichtungen orientieren können. Forschung, vor allem Grundlagenforschung, ist immer langfristig ausgerichtet. Beim IST Austria (Institute of Science and Technology Austria, Anm.) hat man diesen Schritt gesetzt. Eine gesicherte finanzielle Basis ist wegen der aufwendigen Infrastruktur im naturwissenschaftlich-technischen Bereich besonders wichtig. Man braucht längerfristige Planungssicherheit auch als Grundlage, um qualifiziertes Personal anwerben und halten zu können.

Wie kann man Österreich attraktiver machen für Forscher aus dem Ausland?

Wissenschaftler brauchen für ihre Tätigkeit eine adäquate Infrastruktur, eine angemessene Bezahlung und eine langfristige Perspektive.

Sind wir da nicht am Ende des Tages wieder beim Geld?

Nicht nur. Erleichterungen beim Fremdenrecht oder bei Doppelberufungen, wenn es etwa darum geht, ein wissenschaftliches Ehepaar bei passender Qualifizierung gemeinsam ins Land zu holen, wären ebenfalls dienlich. Es ist zwar immer alles auch eine Geldfrage. Aber mit Geld allein sind regulatorische Hindernisse nicht zu beseitigen.

Was braucht es sonst noch für die Forschung?

Ein Forschungsergebnis ist noch keine Innovation. Eine Innovation ist es, wenn eine neue Idee, ein Produkt oder Prozess auf den Markt und zu den Menschen gebracht wird. Da haben wir ein Riesendefizit. Start-up-Finanzierung und Risikokapital-Finanzierung sind im angelsächsischen Raum ungleich weiter entwickelt.

Es wird immer wieder bemängelt, Österreich sei zu wenig innovationsfreundlich. Wo muss man da ansetzen?

Das ist eine ständige Herausforderung. Diese beginnt bereits im Vorschulalter, in dem Kinder neugierig und wissensdurstig sind. Das Schulsystem soll diese Neigung nicht abtöten, sondern fördern.

Sie haben ja schon 2011 angeboten, bei der Umsetzung der FTI-Strategie zu helfen. Was ist hier vonseiten des Rats gelungen?

Wir haben gemeinsam mit allen Beteiligten versucht, aus den vorhandenen Mitteln das Bestmögliche herauszuholen. Das ist eine nie enden wollende Aufgabe. Das ist etwa bei der Restrukturierung des AIT (Austrian Institute of Technology, Anm.), das noch 2008 in einem desolaten Zustand war und jetzt auf einen verkraftbaren Expansionskurs gehen konnte, gelungen.

Welche Rolle kann der Rat hier tatsächlich spielen? Ist der Tiger zahnlos, auch wenn er bei den regelmäßigen Empfehlungen immer wieder kräftig knurrt?

Die Rolle des Hofnarren ist es, immer den Spiegel vorzuhalten. Und so wie im Märchen vom Schneewittchen die Königin darauf aufmerksam zu machen, wie sie wirklich ausschaut. Und nicht, wie sie es sich wünscht.

ZUR PERSON

Hannes Androsch (76) studierte Welthandel in Wien und war Finanzminister (ab 1970) und Vizekanzler (ab 1976). Der bekannte Industrielle engagiert sich heute für Bildung und Forschung: Er war Vorsitzender des Universitätsrates der Montanuni Leoben, 2011 initiierte er das Bildungsvolksbegehren. Seit Herbst 2010 ist er Vorsitzender des Rats für Forschung und Technologieentwicklung, der die Bundesregierung in Forschungs- und Technologiefragen berät.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2015)

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