Sauberer Transport ganz ohne Stau

Russland, St. Petersburg, Newski Prospekt, Hauptstrasse
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Logistik. Wachsende Städte brauchen neue Konzepte für die Güterlogistik. Ob Dreirad, E-Auto oder Transportzug: Bei der Lieferung sollen CO2 und Ressourcen gespart werden.

Rund 75 Prozent der EU-Bevölkerung leben in Städten. Hier wird auch der Großteil der produzierten Waren ausgeliefert. Der globale Trend wachsender Metropolen erfordert ein Umdenken in der logistischen Versorgung urbaner Räume. Lösungsansätze auf drängende Probleme wie Klimawandel, Luftverschmutzung, Lärm, Staus sowie allgemeinen Platzmangel soll das Projekt Emilia (Electric Mobility for Innovative Freight Logistics in Austria) bieten.

Es wird vom Klima- und Energiefonds des Technologie- und des Lebensministeriums mit 2,65 Millionen Euro gefördert und in der Ausstellung „Mobilität“ im Technischen Museum Wien am 26. März der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. In dem dreijährigen Projekt entwickeln 16 österreichische Unternehmen nachhaltige Güterlogistikkonzepte für die Warenversorgung in städtischen Räumen. Inklusive der „letzten Meile“, also dem Transport zur Haustür des Kunden.

Der Einsatz neuer E-Fahrzeuge soll helfen, den CO2-Ausstoß zu senken. Das Projekt ist in mehrere Teile gegliedert: „Der erste Schwerpunkt ist die Ausarbeitung völlig neuer Logistikkonzepte“, erklärt Boschidar Ganev, Projektmanager am Mobility Department des Austrian Institute of Technology (AIT), das als Projektkoordinator fungiert. Zu den Ideen gehört ein Umschlagplatz, Hub genannt, von dem aus die Feinverteilung mit umweltfreundlichen Fahrzeugen passiert.

Ebenso wird untersucht, wie sich E-Fahrzeuge in die logistische Tourenplanung integrieren lassen. „Wir wollen die Stärken und Schwächen von E-Fahrzeugen berücksichtigen und optimal ausnutzen“, sagt Ganev. Die Forscher stellten die Frage, wie Fahrten vermieden oder besser ausgelastet werden können. Für die unterschiedlichen Transporteinsatzzwecke werden drei Fahrzeugtypen – von leichter bis schwerer Zuladung – entwickelt.

Ein Dreirad für Lasten

Kurier- und Paketdienste geben meist kleine Einzellieferungen in Auftrag, die wiederum viele Fahrten und gefahrene Kilometer bedeuten. Im städtischen Umfeld hat ein wendiges und platzsparendes Gefährt für Botendienste in Fußgängerzonen Sinn. Die Unternehmen Gleam Products GmbH und OVH Design entwickeln ein Lastendreirad mit schmaler Spurweite und einer halben Standard-Palette an Ladevolumen, das die Pedalkraft des Fahrers durch elektrischen Antrieb unterstützt.

„Der Einsatz sogenannter Soft Magnetic Composites erlaubt komplexe neuartige Maschinenformen. Das Ergebnis ist eine höhere Leistungsdichte des Motors und größere Reichweite“, so Ganev. Neben der Verbesserung der Reichweite steht die Kostensenkung im Vordergrund. Auch bei der zweiten Technologie, dem Skoda Roomster E-Leichtfahrzeug: „Der Automobil-Cluster Oberösterreich arbeitet an der Entwicklung eines hocheffizienten E-Motors für wirtschaftlichen Betrieb“, verrät Cluster-Manager Wolfgang Komatz.

Das dritte Fahrzeug, der EMF Citylog, ist ein hybrider Straßentransportzug im futuristischen Design. Das mit Wasserstoffbrennstoffzellen betriebene E-Fahrzeug besteht aus elektronisch koppelbaren Einzeltransportern, wodurch der Zug flexibel und modular wird.

Jedes der Module verfügt über ein eigenes Antriebs- und Lenkungssystem und eine separate Energieversorgung. „Dadurch kann sich jeder Waggon autonom fortbewegen und entweder dem Triebwagen folgen oder eigene Aufträge abwickeln“, erklärt Ganev und beschreibt einen weiteren Vorteil: „Die Räder werden um 90 Grad schwenkbar sein. Die Waggons könnten seitlich einparken oder sich sogar um die eigene Achse drehen, was eine Manövrierfähigkeit und flexible Einsatzweise verspricht.“ Jedes Fahrzeug ist für eine Zuladung von zwei Tonnen ausgelegt. Ein Zug drei solcher Waggons entspricht somit einem üblichen Sechs-Tonnen-Lkw.

Neben neuen Logistikkonzepten und Mobilitätstechnologien ist der dritte große Schwerpunkt die Einbindung von Nutzerbedürfnissen. Bei Emilia flossen durch einen Open-Innovation-Prozess neue Gedankengänge seitens der Öffentlichkeit ein. „Das Thema Mobilität und Güterlogistik betrifft uns alle. Jedes Mal, wenn wir etwas kaufen oder eine Bestellung tätigen, wird früher oder später irgendwo ein Logistikprozess ausgelöst. Darum ist es wichtig, möglichst viele Anforderungen abzufragen und Meinungen einzuholen – damit die Projektergebnisse einen Mehrwehrt für Nutzer und Betreiber darstellen“, sagt Ganev.

Idee der Community: Güterbim

Die Forscher haben den zweimonatigen Online-Wettbewerb auf der „Neurovation“-Plattform gestartet und die Community aufgerufen, ihre Ideen zu verschiedenen Fragestellungen einzubringen. Insgesamt kamen 80 Ideen zustande. Darunter Straßenbahnen als Güterbims zu verwenden oder E-Fahrzeuge mittels induktiven Ladens „startklar“ zu machen. Die Vorschläge wurden nach Innovationsgrad, Umsetzbarkeit und Projektrelevanz von einer Jury bewertet. Ganev: „Parallel dazu haben wir zu Experten-Workshops geladen, wo wir Trends analysiert und Anforderungen abgeleitet haben.“

Welche dieser Lösungsansätze realisierbar ist, wird im vierten und letzten Schwerpunkt von Emilia beantwortet werden – der für 2017 geplanten Demonstration. In den Bereichen Paket-, Medikamente- und Nahrungsmittelzustellung wollen die Projektteilnehmer aufzeigen, dass der Einsatz unterschiedlicher Elektrofahrzeuge in urbaner Logistik technisch machbar ist und einen ökologischen und ökonomischen Mehrwert bietet. Und im Hinblick auf knapper und teurer werdende fossile Ressourcen notwendig ist: „Natürlich ist das auch eine Akzeptanzfrage, anfänglich mehr für nachhaltige Mobilitätsleistungen ausgeben zu wollen. Sind die Resultate aus dem Projekt aber vielversprechend, besteht eine gute Chance, dass die Fahrzeuge operativ eingesetzt werden“, gibt sich Ganev optimistisch. Was Speditions- und Logistikunternehmen sowie Flottenbetreiber ebenfalls freuen könnte. [EMF Citylog ]

LEXIKON

Wasserstoff-Brennstoffzellen wandeln chemische Energie in elektrische Energie um: Bei der elektrochemischen Reaktion verbinden sich gasförmiger Wasserstoff und der in der Luft vorhandene Sauerstoff zu Wasser.

Durch einen Katalysator werden Protonen und Elektronen des Wasserstoffs getrennt. Die Protonen wandern durch eine Membrane und verbinden sich mit Sauerstoff zu Wasser. Die Elektronen können nicht durch die Membrane gelangen und machen einen Umweg über einen Stromkreis: So entsteht der für uns nutzbare Strom.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2015)

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