Bildpolitik: Maria Theresia, ein Medienstar

Die Habsburger
Die Habsburger(c) ORF (Laszlo Nemeth)
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Kaum eine Herrscherin wurde so oft und so unterschiedlich dargestellt wie Maria Theresia. Der Hintergrund der Darstellungen liegt aber bis heute meist im Dunkeln. Jetzt untersuchen Forscher die Kunstproduktion des 18. Jahrhunderts.

Sie scheint bis heute omnipräsent im öffentlichen Leben. Maria Theresia, die als Frau von Kaiser Franz I. die Regierungsgeschäfte im Hause Habsburg führte, blickt von Gemälden, Fresken und Denkmälern, aber auch auf Medaillen wurde sie oft abgebildet. Umso überraschender ist, dass diese Form der Darstellung ihrer Person bislang nicht umfassend beleuchtet wurde. Das wollen Wiener Wissenschaftler jetzt im Forschungsprojekt „Herrscherrepräsentation und Geschichtskultur unter Maria Theresia“ ändern.

Es war die Forschungslücke, durch die der Projektleiter, der Kunsthistoriker Werner Telesko von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), auf das Thema aufmerksam wurde. Der Leiter des Instituts für kunst- und musikhistorische Forschungen untersuchte den Mythos Maria Theresia bis ins 21.Jahrhundert und bemerkte, dass das kulturpolitische Wirken der Herrscherin bisher ausgeklammert wurde.

Das aktuelle Vorhaben ist ehrgeizig. Im vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Projekt sollen nämlich alle Abbildungen und Archivalien (siehe Lexikon) erfasst werden, die ausfindig zu machen sind. Kurz: alles, bei dem die Person Maria Theresia in Text und Bild Spuren ihrer Präsenz hinterließ. Und zwar nicht nur in Österreich, sondern im gesamten Gebiet des ehemaligen Heiligen Römischen Reichs und darüber hinaus. Denn: „Die meisten Druckgrafiken sind nicht in Wien entstanden“, sagt Telesko.

Medaillen als Medium

Zur Präsentation der Kaiserin wurden auch gern Prägungen aus Edelmetallen oder Legierungen genutzt: aus purem Gold, Silber oder aus Metalllegierungen und in unterschiedlichen Größen. Allein 300 verschiedene Medaillentypen finden sich in der Sammlung des Projektpartners, des Münzkabinetts des Kunsthistorischen Museums in Wien. „Die gesamte Sammlung Kaiser Franz I. ist in unseren Händen“, sagt der stellvertretende Sammlungsdirektor, Heinz Winter.

Die Medaillen wurden bisher kaum als Medium begriffen, obwohl sie als Erinnerungsstück oder Ehrung nur an ausgewählte Personen vergeben wurden. Der Fokus der Forschung lag eher auf dem künstlerischen Wert. Der Hintergrund, etwa die Politik der Auftraggeber, blieb ausgeklammert – ein Kontext, den es aber brauche, um blinde Flecken zu vermeiden, so die Forscher. Denn die Botschaften auf den Medaillen sind vielfältig.

Thronnachfolge dokumentiert

So zeigt etwa eine Seite des Metalls das Konterfei der Herrscherin, die andere ein historisches Ereignis. Es gab Medaillen für die schwere Arbeit in Bergwerken, die Umleitung oder Trockenlegung von Flüssen oder die Arbeit in Waisenhäusern. Sogenannte Preismedaillen wurden für Wettbewerbe an Künstler verliehen. Eine andere Medaille dokumentiert die männliche Thronnachfolge Maria Theresias.

Auch der Leibarzt Maria Theresias, Johann Andre Kestler von Rosenheim, ließ eine Medaille anfertigen, als sich die Kaiserin von den Pocken erholt hatte. Diese erzählt eine Heilsgeschichte: „Maria Theresia hat die schwere Krankheit überlebt, die Gebete des Volks wurden also erhört. Zugleich sollte so die Liebe zur wieder genesenen Herrscherin gestärkt werden“, so Kunsthistoriker Telesko. Andere Medaillen wiederum wurden als prunkvolle Geschenke verwendet: mit Edelsteinen wie Brillanten eingefasst und als Anhänger an einer Kette befestigt. Das ist in geheimen Kammerzahlungsrechnungen des Staatsarchivs belegt, die die Forscher nun ebenfalls genau studieren.

Entstehung verstehen

Das kaiserliche Hauptmünzamt in Wien war die wichtigste Produktionsstätte: Private durften Maschinen zur Münzprägung nicht besitzen, das wurde streng kontrolliert. „Uns interessiert die Entstehungsgeschichte. Welche Schritte passierten von der Idee bis zum fertigen Werk?“, erklärt Anna Fabiankowitsch, die ihre Dissertation mit dem Projekt verfasst. Dabei sind auch Akten besonders wichtig für die Numismatiker. „Von der ungarischen Krönung Maria Theresias gibt es Medaillen im Wert von 20 Dukaten, die lediglich fünfmal produziert und an die kaiserliche Familie übergeben wurden. Medaillen mit geringerem Wert wurden an geistliche und weltliche Würdenträger oder Hofpersonal überreicht“, sagt Fabiankowitsch. Aus den Listen der Teilnehmer bei den Feiern lasse sich der mögliche Empfängerkreis feststellen. Die Medaille allein oder die Signatur des Künstlers verrate eben noch nicht, was hinter einem Werk steht.

Von der Reiterin zur Witwe

Das Bild, das von Maria Theresia gezeichnet wurde, wandelte sich mit der Zeit: Frühe Darstellungen zeigten sie als Kriegerin – Reiterfiguren waren sonst eine männliche Domäne. Nach dem Tod ihres Mannes 1765 wird sie meist als Witwe dargestellt. Bestimmte Porträt- und Darstellungstypen, wie sie zuvor noch nicht nachweisbar gewesen sind, sollen bei der Einordnung der Werke helfen.

Wer aber steuerte die Vermarktung Maria Theresias? Nur wenige höfische Porträts und Familienbilder wurden von Maria Theresia direkt in Auftrag gegeben. Projektleiter Telesko glaubt nicht an eine Strategie: Spin Doctor habe es damals wohl keinen gegeben, vielmehr eine Vielzahl von Beratern. Die Kommunikation war schon damals keine Einbahnstraße: „Der Repräsentant musste die Erwartungen der Betrachter bedienen.“ Diese von vielen Akteuren geschaffenen Image-Zuordnungen gelte es zu untersuchen.

Dabei habe es im 18. Jahrhundert noch keinen Kult um Maria Theresia als Landesmutter gegeben. Dieser habe sich erst im 19. Jahrhundert entwickelt, zu Beginn der 2. Republik wurde sie dann als Symbol für die Wiedergeburt der Nation gefeiert. Die Darstellungen wurden allerdings nach und nach vereinheitlicht und entpolitisiert, so Telesko. So werde Maria Theresia heute zwar als kinderreich, aber weniger als politische Figur wahrgenommen. „Die mediale Hülle verlor an Inhalt.“

Hose runter, Kaiserin!

Kritische Darstellungen wie Karikaturen, die die Regentin in demaskierender Pose zeigen, kamen eher aus den Niederlanden, England oder Preußen. Auf sogenannten Spottmedaillen wurde das Image der Herrscherin in den Schmutz gezogen, eine zeigt sie sogar mit heruntergelassener Hose. Solche Darstellungen dürften aber im Habsburgerreich keine große Rolle gespielt haben. Die Zensur funktionierte. Heinz Winter will nun erstmals die Medaillen systematisch beschreiben. Informationen, die nach Ende des Projekts für alle Interessierten online zugänglich sein sollen. Außerdem gestalten die Forscher eine Ausstellung für 2017 mit: Dann jährt sich Maria Theresias Geburtstag zum 300. Mal.

LEXIKON

Numismatik ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit Geld und seiner Geschichte. Wichtigstes Objekt der auch als Münzkunde bezeichneten Disziplin sind neben Münzen Papiergeld oder münzverwandte Objekte wie Jetons und Medaillen.

Als Archivalien oder auch Archivgut bezeichnet man alle Informationen und Informationsträger, die in einem Archiv untergebracht sind. Das umfasst Bild- und Tonmaterial genauso wie Texte oder Textdateien. In der Regel sind Archivalien Unikate, also einmalig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2015)

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