Tschuri hat kein Magnetfeld

Weltraum. Neue Messungen von Grazer und Braunschweiger Forschern präsentiert: Theorie der Kometen-Entstehung gibt weiter Rätsel auf.

Was auch immer Kometen im Sonnensystem zusammenhält – das Magnetfeld ist es nicht. Das zeigten nun jüngste Auswertungen der Messungen vom Kometen Tschurjumow-Gerassimenko, kurz Tschuri. Forscher der TU Braunschweig und des Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) veröffentlichten eben ihre neuen Erkenntnisse zur Mission Rosetta im Fachmagazin Science.

Forschung ist Versuch und Irrtum. Nun ist gewiss, dass magnetische Kräfte für das Wachstum von Kometen keine Rolle spielen. Das könne man eindeutig ausschließen, sagt Werner Magnes vom IWF. Seine Forschergruppe war an der Entwicklung des Messgeräts Romap (Rosetta Lander Magnetometer and Plasma Monitor) beteiligt: eines neuartigen digitalen Magnetometers mit geringem Gewicht und niedrigem Leistungsbedarf an Bord der Landesonde Philae.

Hopsen hat geholfen

Für die Messungen war offenbar das ungeplante Hopsen von Philae bei der Landung nützlich: So habe man Daten von verschiedenen Stellen und aus unterschiedlichen Höhen bekommen, so Magnes. Die Landeeinheit berührte in zwei Stunden insgesamt viermal die Kometenoberfläche, bis sie die nunmehrige Position erreichte. Die Messgeräte waren permanent aktiv. Insgesamt standen den Forschern so 20 Stunden an Daten für die Auswertungen zur Verfügung.

Die Erkenntnis entkräftet freilich eine bisher zentrale Theorie der Kometen-Entstehung. Wie lässt sich nun sonst erklären, wie sich kleine Körper aus einer „Ursuppe aus Staub und kleinen Teilchen“, wie Magnes es formuliert, bilden? Eine Theorie geht vom Wirken elektrostatischer Kräfte aus, eine andere von sogenannten Van-der-Waals-Wechselwirkungen, bei denen Atome und Moleküle durch atomare Kräfte aneinanderhaften. Das muss allerdings erst überprüft werden, und dazu braucht es eigene Experimente – das kostet vor allem bei Weltraummissionen viel Zeit und Geld.

Aber auch sonst ist Tschuri für Überraschungen gut: Die Forscher hatten nicht mit der flockigen Beschaffenheit des Staubs gerechnet. Dieser sei für ein Rasterkraftmikroskop schwer zu beherrschen, so Magnes. Unter der dicken Staubschicht war wiederum der vereiste Boden deutlich härter als erwartet. Und die Forscher rechnen weiter mit Überraschungen: Denn ständig kommen neue Daten von der Muttersonde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2015)

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