Die Natur von oben überwachen

Wald mit Nebelstimmung
Wald mit Nebelstimmung(c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
  • Drucken

Geoinformation. Mit Infrarot-Laser werden Naturschutzgebiete aus der Luft vermessen: 3-D-Modelle zeigen die aktuelle Baumdichte oder Gefahren für Hangrutschungen an.

Ein Naturschutzgebiet ist ein ökologisch intakter Raum, dessen Reiz in seiner Diversität und Ursprünglichkeit liegt. Der Zustand dieser natürlichen Areale muss laut Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU kontrolliert werden. Da ein Fünftel der Fläche der EU unter Naturschutz steht, reichen Feldbegehungen zu Fuß zu wenig weit. Das Department für Geodäsie und Geoinformation der TU Wien entwickelt daher Methoden, um Europas Naturschutzgebiete vom Flugzeug aus zu untersuchen.

„Flugzeuge überfliegen in 500 bis 2000 Metern Höhe das Gelände und scannen mit Infrarot-Laserstrahlen einen 300 bis 800 Meter breiten Streifen“, erklärt Norbert Pfeifer von der TU Wien. Ungefähr zehn Punkte pro Quadratmeter werden von den Laserpulsen abgetastet, jeder Puls dauert nur einige Nanosekunden, das sind Milliardstelsekunden.

„Jede Sekunde sendet das Flugzeug eine halbe Million dieser Pulse, wo sie vom Boden als Echo reflektiert werden. Ein kleiner Teil des Lichtpakets kehrt zum Flugzeug zurück und wird detektiert.“ Aus der Laufzeit der einzelnen Laserpulse kann man Punkt für Punkt den Abstand zwischen Flugzeug und Boden berechnen. So entsteht ein Relief, aus dem eine detaillierte 3-D-Karte der Landschaft erstellt wird. „Mithilfe dieser Algorithmen lassen sich Aussagen über den Erhaltungszustand der Lebensräume machen“, sagt Pfeifer.

Spezielle Software erkennt Vegetation

Die neuartige Software kann aus den Daten errechnen, um welche Art von Vegetation es sich handelt. „Ein ökologisch intakter Wald besteht aus mehreren Schichten: der bodennahen Krautschicht, der aus niedriger Vegetation bestehenden Strauchschicht und mehreren Baumschichten“, so Pfeifer.

Während ein simples Foto aus der Luft nur die Baumschicht zeigt, liefert die Laser-Methode mehr Informationen. „Scannt man einen Wald, werden nicht alle Strahlen von den obersten Baumkronen reflektiert, sondern Strahlen dringen auch zu den darunterliegenden Schichten des Waldes, deren Zustand wird sichtbar.“ Sogar Strukturen wie Feldwege können damit erkannt werden. Die Technik ist aber auch auf Grasländer und andere Vegetation anwendbar.

Die neuen Computeralgorithmen wurden im Naturschutzgebiet Ágota-puszta, Püspökladány in Ungarn getestet, das ein feines Mosaik aus Salzwiesen, Lössgrasländern und Feuchtwiesen bildet. Dabei wurden ganz bestimmte Variablen erhoben, wie sie auch bei menschlichen Feldbegehungen, die im Rahmen des Natura-2000-Netzwerks vorgeschrieben sind, beobachtet werden.

„Die Daten nehmen wir terrestrisch auf, um unsere Systeme zu kalibrieren. Die aus der Luft gemessenen Daten werden mit den Felddaten der Bodenmessung verglichen.“ So erfüllen die Laser-Scans die Vorgaben des EU-Naturschutzgebiet-Netzwerks und lassen sich zugleich mit früheren Daten vergleichen. „Zwischen unseren Daten und von Menschen erhobenen Parametern erreichten wir eine Übereinstimmung von 80 bis 90 Prozent“, so Pfeifer. Das entspricht etwa der Übereinstimmung, die auch zu erwarten ist, wenn dieselbe Region von verschiedenen Personen untersucht wird.

Das aber ist den Forschern zu wenig: Mit der neuen Methode möchten sie einen Schritt weitergehen. „Aus der Luft gewinnt man einen anderen Blick auf die Welt. Es lassen sich neue Parameter definieren, wie etwa Aussagen zu den Lücken im Wald und der Baumdichte, an denen wir noch zuverlässiger Aussagen zur Biodiversität treffen können“, sagt Pfeifer.

Infos für neue Seilbahnen und Flussbau

Daraus lassen sich viele neue Informationen ableiten. „Durch hochauflösende Modelle kann das Holzvolumen errechnet werden. Indem wir die Geomorphologie von Hangrutschungen beobachten, kann die Gefahr weiterer Naturkatastrophen besser abgeschätzt werden“, erklärt Pfeifer. Weiters können geeignete Standorte für den Bau von Seilbahnen eruiert oder verbesserte Simulationsmodelle für den Flussbau geschaffen werden.

„Die Studie schließt die Lücke zwischen der Fernerkundungs- und der Ökologie-Community“, sagt András Zlinszky vom Zentrum für Ökologie in Ungarn. Die Forschungen wurden im Rahmen des dreijährigen EU-Projekts ChangeHabitats2 mit 350.000 Euro gefördert und sollen im Juni abgeschlossen sein. „Doch es gibt noch viele offene Fragen“, sagt Pfeifer.

LEXIKON

Biodiversität. DasWort besteht aus „bios“, griechisch für „Leben“, und „diversitas“, lateinisch für „Vielfalt“. Biodiversität beschreibt die Vielfalt des Lebens und der Lebensräume und vereint sämtliche Organisationsstufen des Lebens von einzelnen Arten bis zum Ökosystem.

Naturschutzgebiet. Als wichtigste Kategorie des Flächenschutzes gibt es in Österreich über 450 Naturschutzgebiete mit 3000 km2, also 3,6 Prozent der Bundesfläche. Stehen Naturschutz und Nutzung im Einklang, dürfen die Flächen kultiviert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.