Parasiten: Hauen und stechen

FILE KENYA THAILAND MYANMAR MALARIA
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Parasiten und ihre Wirte sind in ständigem Rüstungswettlauf. Der wird auf vielen Feldern ausgetragen, etwa auch um Bakterienfutter: Eisen.

Nein, ein Paradiesgärtchen ist die Natur nicht, sie ist von Anbeginn an Kampf auf Leben und Tod, der selten mit ewigem Frieden geschlichtet wurde. Etwa bei den Kraftwerken der Zellen mit Zellkern (Eukaryoten), den Mitochondrien: Die waren einmal frei lebende Zellen ohne Zellkern (Prokaryoten), Bakterien. Dann gerieten sie in eukaryotische Einzeller, vielleicht drangen sie ein, vielleicht wurden sie gefressen. Wie auch immer, die beiden taten sich zusammen, die Bakterien fanden Behausung und lieferten im Gegenzug Energie, wir haben tausende in jeder Zelle. Ähnlich lief es bei den Pflanzen, bei ihnen sind die Chloroplasten, die die Fotosynthese betreiben, eingemeindete Bakterien, ihren Wirten hoch willkommen, vor allem die sorgen für die Verbindung, Debashish Bhattacharya (Rutgers) hat es gezeigt (Pnas 23.3.).

Aber das Amikale ist nicht die Regel, die Regel ist der Krieg eines jeden gegen jeden, nicht erst unter Menschen, wo Hobbes ihn aufspürte, auch schon unter Bakterien und Pilzen. Die haben ein breites chemisches Arsenal, mit dem sie Mitglieder anderer Arten zu Tode bringen, Mitglieder der eigenen auch. Der Mensch entdeckte das ganz zufällig, als Alexander Fleming, ein vergesslicher Bakteriologe, 1928 in die Ferien fuhr und in seinem Labor irgendwo Staphylokokken in Nährlösung stehen ließ. Bei der Rückkehr sah er, dass auch ein Pilz gewachsen war, in seiner Nachbarschaft hielten sich keine Bakterien, er schied etwas aus. Fleming analysierte es und nannte es Penicillin, später fanden sich andere Antibiotika, von Bodenbakterien produzierte.

Damit konnte man den Spieß umdrehen und die fürchterlichsten Plagen zurückdrängen, für alle steht der Schwarze Tod, die Pest, die Europa zweimal halb entvölkerte. Die ist relativ jung, verursacht wird sie von einem Bakterium, das mit Flöhen von Nagern auf Menschen kommt, Yersinia pestis. Das hat sich erst vor 6400 bis 1500 Jahren entwickelt, aus Yersinia pseudotuberculosis, es wird mit Fäkalien übertragen und bringt eher milde Leiden. Wie kam es auf den Floh? Es musste sich umbauen, denn für Flöhe ist es unbekömmlich: Vierzig Prozent derer, die im Labor von Iman Chouika (NIH, Hamiltan) mit Blut gefüttert wurden, in dem Y.pseudotuberculosis war, starben daran. Woran? An Urease, dem Enzym, das Harnstoff in Ammoniak und Kohlenstoffdioxid zerlegt. Y.pseudoturbeculosis hat es, kann aber darauf verzichten und hat das Gen im Übergang zu Y. pestis stillgelegt, nun kam die Pest via Floh in Menschenblut (Pnas 111, S.18709).


Moskito vs. Plasmodium. Für die Flöhe ist das auch nicht lustig, Y.pestis verklebt eingesaugtes Blut in ihrem Vormagen mit einem Koagulationsenzym zu einem so dichten Klumpen, dass sie ihn mitsamt den Bakterien darin ausspucken müssen – beim nächsten Saugen –, um frisches Blut in den Magen zu bekommen. Die Flöhe wehren sich vermutlich, in der Fachliteratur findet sich zwar nichts, aber alle wehren sich gegen Trittbrettfahrer, Moskitos etwa gegen Plasmodium falciparum, die Malariaerreger. Die entwickeln sich in Moskitodärmen bzw. ihren Zellen. Im Gegenzug kommt ein Signalweg in Gang, der dafür sorgt, dass befallene Zellen in den gezielten Zelltod gehen (Apoptose), so werden die Parasiten entsorgt. Aber Plasmodium hält dagegen, es macht sich unsichtbar, schneidet den Signalweg ab, Carolina Barillas-Mury (NIH Rockville) hat es bemerkt (Pnas 112, S.1273).

Derartige Erfindungen sind nicht nur für Plasmodium nützlich, andere Bakterien können sie auch brauchen, und unter Bakterien werden reichlich Gene getauscht, auch zwischen verschiedenen Arten, es ist ein Riesenproblem bei Antibiotikaresistenzen.

Die Übertragung von einem zum anderen heißt lateraler Gentransfer und geschieht oft willig, bisweilen aber auch mit Gewalt, das ist Melanie Blokesch (Lausanne) an Vibrio cholerae aufgefallen. Diese Bakterien haben einen kleinen Speer, er heißt „type VI secretion system“, mit dem durchlöchern sie andere Bakterien und lösen enzymatisch ihre Zellwände auf, dann holen sie die Information heraus – bis zu 40 Gene auf einen Stich –, durchaus auch kannibalistisch aus anderenV.cholerae (Science, 347, S.63). Damit rüsten sie auf, nun müssen sich die Wirte etwas einfallen lassen. Sie tun das nicht nur beim Verfeinern der Waffen des Immunsystems, sondern auch beim Rekrutieren von Hilfstruppen: Salz in der Haut stärkt die Aktivität der Abwehr bei Fress- und anderen Immunzellen, (Cell Metabolism, 21, S.493); Fett in der Haut tut es auch, es produziert Peptide, die viele Bakterien durchlöchern, Staphylokokken etwa (Science, 347, S,.67).

Gekämpft wird auch auf einem bisher weithin übersehenen Nebenschauplatz, dem des Futters: Viele Bakterien brauchen Eisen, deshalb setzt unsere Abwehr auch auf „nutritional immunity“: Sie bringt die Eisenvorräte in Sicherheit, mit einem speziellen Transportprotein, Transferrin. Das wird im nächsten Gegenschlag von bakteriellen Piraten attackiert, sie kapern das Eisen, mit einem Transferrin-Bindungsprotein. Nels Elde (Utah) hat den Rüstungswettlauf im Detail bei den Primaten rekonstruiert, sie haben ihr Transferrin wieder und wieder umgebaut, immer dort, wo das Bindungsprotein ansetzt, das seinerseits dauernd neu konfiguriert wird (Science 346, S.1362).

Auf das zentrale Arsenal der direkten Waffen wird doch nicht verzichtet, und bei dem, das ist die jüngste Überraschung, schlägt das Imperium zurück: Manche Wirte holen Gifte bzw. Gene von Parasiten, um damit andere Parasiten zu bekämpfen, meist geht es um das „type VI secretion system“ bzw. das von ihm verspritzte zellwandzerstörende Enzym Lysozym. Die Blaupause haben sich Pflanzen und Pilze geholt und in ihr Genom eingebaut, auch Insekten haben es getan, üble Plagegeister, die von noch übleren als Vehikel benutzt werden: Zecken, Jason Metcalf (Nashville) hält sie im Labor (eLife e04266). Und die halten mit dem Lysozym Borrelia burgdorferi, den Erreger der Lyme-Borreliose, in ihrem Körper in Grenzen, ganz los werden sie ihn nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2015)

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