Die blaue Stunde wirkt auf die innere Uhr

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Nicht nur die Intensität, auch die Farbe des Lichts steuert den Tagesrhythmus von Säugetieren.

Die blaue Stunde lädt nicht nur zum Cocktail, sie ist auch ein häufiges Motiv in der Literatur, Gottfried Benn und Ingeborg Bachmann haben ihr Gedichte gewidmet, der Jazzer Franz Koglmann hat ein Album „L'heure bleue“ genannt, es klingt abendlich, melancholisch. Es ist wohl kein Zufall, dass der erblindete Filmemacher Derek Jarman in seinem letzten Film „Blue“ nur eine Farbe zeigt: Blau.

Diese poetische Verbindung hat eine physikalische Basis. Blau ist die Farbe des Wassers und des Himmels, und zwar besonders des abendlichen Himmels. Dass der Himmel immer mehr oder weniger blau ist, liegt an der Streuung des Sonnenlichts an den Luftmolekülen: Sie hängt stark von seiner Energie ab, und Blau hat mehr Energie als die anderen Farben. (Nur Violett hat noch mehr.) Dazu kommt am Abend ein zweiter Effekt, die Chappuis-Absorption: Das schräger einfallende Licht geht länger durch die Ozonschicht, diese absorbiert gelbes und rotes Licht, übrig bleibt Blau.

Mehr blau als gelb

Und das sagt uns, dass es Abend ist. Die Abenddämmerung hat ein ganz spezielles Licht, das nehmen wir bewusst wahr. Aber wohl auch unbewusst: über innere Uhren. Die Zentrale sitzt im Hirn, im suprachiasmatischen Nukleus (SCN), sie läuft mit einer Periode von ungefähr 24 Stunden (darum nennt man sie circadian, von circa diem, ungefähr ein Tag). Sie beeinflusst die Aktivität der meisten Gene. Gestellt wird sie durch Licht, über lichtempfindliche Zellen in der Netzhaut des Auges.

Diese Zellen sind nicht nur für die Intensität des Lichts empfindlich, sondern noch mehr dafür, ob das Licht mehr gelb oder mehr blau ist. Das zeigten Physiologen um Timothy Brown (University of Manchester) zunächst an Zellen aus dem SCN von Mäusen. Dann an Mäusen, die sie unter einen künstlichen Himmel setzten. Wenn sie nur dessen Helligkeit änderten, verhielten sich die Mäuse nicht der Tageszeit angemessen. Sie brauchen offenbar auch die Signale aus der Farbzusammensetzung (Plos Biology, 20. 4.)

Das dürfte Forschern und Zoobesitzern zu denken geben, die Säugetiere bei künstlichem Licht halten. Und sogar Menschen helfen, deren innere Uhr durch Jetlag oder Schichtarbeit durcheinandergekommen ist, spekuliert Timothy Brown: „Man könnet Farbe dazu verwenden, unsere innere Uhr zu manipulieren.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2015)

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