„Bin mit meiner Botschaft weiter gegangen als Conchita Wurst“

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Wissenschaftswettstreit. Molekularbiologe Martin Moder hat das europäische Finale des Science Slam von Kopenhagen nach Wien geholt.

„Superseriös wirkt oft superlangweilig“, sagt Molekularbiologe Martin Moder. Mit seinem Auftritt als – bärtige – Fruchtfliege hat er im Vorjahr kurz nach Conchita Wurst ein besonderes Finale von Kopenhagen nach Österreich geholt. Denn nicht nur der Song Contest findet heuer in Wien statt, sondern auch die Endausscheidung des europäischen Wissenschaftswettstreits Science Slam. Dabei stellen Forscher ihre Arbeit auf einer Bühne vor: kurz, prägnant und unterhaltsam. Nächsten Samstag (siehe Info-Kasten) entscheidet sich, wer Österreich Ende September vertritt.

Wie aber geht es einem Wissenschaftler, wenn er im Rampenlicht steht? „Vielleicht hilft es, wenn man vorher in einer Band gespielt hat“, sagt Vorjahressieger Moder. Er spielte als Schlagzeuger in einer Metal Band. In seinem Auftritt sieht er durchaus Parallelen zu Conchita Wurst, die eine Botschaft der Toleranz und Verbundenheit zwischen allen Menschen verbreite. Er selbst sei noch einen Schritt weiter gegangen: „Ich befasse mich mit der Verbundenheit zwischen Menschen und Insekten, wir haben ja alle denselben evolutionsbiologischen Ursprung“, sagt er frech. Schließlich seien Menschen und Fliegen genetisch zu 60 Prozent ident.

„Nicht zu korrekt sein wollen“

Worauf gilt es bei der Wissenschaftsvermittlung zu achten? Der einzige wirkliche Fehler sei, so korrekt sein zu wollen, dass es zu kompliziert werde: „Dann kann das Publikum den Inhalten nicht mehr folgen.“ Da sei es besser, etwas eventuell ein bisschen weniger korrekt, aber verständlich wiederzugeben. Zusatz: Die Fruchtfliege, über die er spricht, heiße eigentlich Taufliege oder wissenschaftlich Drosophila. „Wenn man Fruchtfliege sagt, weiß jeder, was gemeint ist. Das macht einfach mehr Sinn.“

Man müsse sich erinnern, wie es war, als man selbst noch ganz naiv einem Thema gegenüberstand und nichts darüber wusste, rät Moder, der derzeit am Zentrum für Molekulare Medizin (CeMM) an seiner Dissertation arbeitet.

Wer eine Botschaft hinüberbringen wolle, müsse überlegen, wie das am besten gelingt. Und wenn es notwendig sei, sich dazu als Fliege zu verkleiden und auf einer Bühne hin- und herzulaufen, dann soll man das eben tun.

Oft hindere Forscher daran die Erwartungshaltung, seriös sein zu müssen. Das ende dann in trockenen Auftritten. „Ich glaube, dass die Leute sehr gern sehen, dass Wissenschaftler auch Menschen und nicht humorlos sind“, sagt Moder. Humor sei als Transportmittel jedenfalls hilfreich.

Geheime Fruchtfliegenstation

Warum ist Moder das wichtig? Da hält er es mit dem Astronomen Carl Sagan, der einmal gesagt habe: „Wir leben in einer Gesellschaft, die total auf Wissenschaft basiert, in der aber kaum jemand etwas von Wissenschaft versteht.“ Das wollte Moder mit seiner Teilnahme an den vom Wissenschaftsministerium unterstützten Bewerben ändern. Mit Teilerfolgen: Neulich habe eine Freundin ihren Sohn daheim erwischt, als er sich eine geheime Fruchtfliegenstation einrichten wollte: indem er altes Obst unter dem Sofa versteckte. „Das fand ich lieb, das wollte ich erreichen: dass sich Kinder für Forschung interessieren. Wenn auch in dem Fall vielleicht nicht zur Freude der Eltern.“

IN KÜRZE

Österreich-Finale. Wer Österreich heuer beim Europa-Finale in Wien vertritt, entscheidet sich nächsten Samstag, 30. Mai, ab 20 Uhr in der Arena Wien (3., Baumgasse 80). Karten sind über scienceslam.at/karten verfügbar.

Europa-Finale. Der europäische Science Slam findet am Freitag, 25. September, 20 Uhr, in der Aula der Wissenschaften in Wien (1., Wollzeile 27a) im Rahmen der European Researchers Night statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2015)

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