Mutter übernimmt Vaterrolle

Andrius Pasukonis
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Brutpflege. Wenn das Männchen ausfällt, springt die Mutter der Kaulquappen ein und trägt die Nachkommen zu Wasserstellen.

Der Ort für die Forschungen von Eva und Max Ringler vom Messerli-Forschungsinstitut der Vet-Med-Uni Wien und dem Department für Integrative Zoologie der Uni Wien ist einzigartig. Mitten im Regenwald stehen Pfahlhütten, geschlafen wird in Hängematten, ein Fluss schlängelt sich durch den Urwald. „Hier gibt es eine Flussinsel, auf der es noch keine Allobates-Frösche gab“, sagt Eva Ringler. Vor drei Jahren setzte ihr Team 1800 Kaulquappen auf der Insel in kleine Gewässer aus. „Wie für diese Art üblich, überlebten etwa zehn Prozent, und heute haben wir dort 120 bis 150 erwachsene Frösche. Eine sehr stabile Population, an der wir untersuchen können, welche Faktoren für das Überleben der Tiere wichtig sind.“

Andrius Pasukonis

So fanden die Forscher heraus, dass Froschmännchen genau darauf achten, ihre Brut auf möglichst viele Wasserstellen zu verteilen. Im Huckepack tragen sie ihre Jungen nicht immer zu denselben Lacken, sondern hüpfen von einer zur nächsten, wodurch nacheinander einzelne Babys in verschiedene Wasserstellen flutschen. „So können sie das Risiko minimieren, dass ein ganzes Gelege in einer einzigen Wasserstelle lauernden Fressfeinden, wie Schlangen, Insektenlarven, Spinnen oder Schildkröten zum Opfer fällt. Durch die breite Verteilung wird der Nachwuchs besser geschützt“, sagt Ringler. Sowohl in Feldbeobachtungen als auch im Froschlabor an der Uni Wien, wo 40 Brutpaare von Allobates femoralis in Terrarien bei tropischer Temperatur gehalten werden, fanden Ringler und ihr Team Spektakuläres: Wenn ein Männchen, das bei diesen Tieren für den Kaulquappentransport zuständig ist, ausfällt, also gefressen wird oder das Territorium wechselt, dann übernimmt spontan das Weibchen seinen Job.

Weibchen überwachen Rufe der Väter

„Solches Kompensationsverhalten war bisher nur von Tierarten bekannt, bei denen beide Geschlechter an der Brutpflege beteiligt sind“, sagt Ringler. Bei Tieren, bei denen nur ein Elternteil die Brutpflege betreibt, führt dessen Tod oder Abwanderung meist zum Tod des gesamten Nachwuchses, oder zumindest zu großen Nachteilen.

„Wir vermuten, dass die Weibchen die Rufe der Männchen überwachen, mit denen sie sich gepaart haben. Wenn einer verstummt, weiß das Weibchen, dass er weg ist, und wird selbst aktiv, um ihre Kaulquappen sicher zu einem Wasser zu bringen.“ Wie das genau funktioniert, erforschen Ringler und ihr Team im aktuellen Forschungsprojekt über flexibles Verhalten bei Fröschen. (vers)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2015)

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