Gibt es den Klimawandel doch?

Belastung der Umwelt durch Industrieabgase
Belastung der Umwelt durch IndustrieabgaseErwin Wodicka - BilderBox.com
  • Drucken

Steigen die Temperaturen? Zumindest die Verwirrung darüber tut es.

1985 wurde erstmals vor der globalen Erwärmung gewarnt, drei Jahre später war die Gefahr Spitzenthema der Weltpolitik, die UNO gründete den Klimabeirat IPCC. Dessen Prognosen sahen Erwärmung kommen, linear, Jahr für Jahr. Prägnant ins Bild setzte das 1999 James Hansen (Nasa) mit seinem „hockey stick“: So wie der Griff des Hockeyschlägers nach oben geht, würden es die Temperaturen tun.

Das taten sie auch, bis 1998, es war das bisher zweitwärmste Jahr. Dann blieb alles auf hohem Niveau, aber es ging nicht mehr hinauf. An die Öffentlichkeit kam das 2009 in einer Randnotiz in Science. Die Mehrheit der Klimaforscher und des IPCC reagierte nicht, manche stellten das Einhalten der Erwärmung in Abrede, für andere war die Zeit des Stillstands zu kurz. Aber vereinzelte Forscher suchten Erklärungen. Mojib Latif (Kiel) tat es als Erster, er sah die Ursache in veränderten Meeresströmungen. Es folgt Susan Solomon – von der NOAA, das ist die in den USA für Ozeane und Atmosphäre zuständige Behörde, sie legt auch weltweit die jährlichen Temperaturdaten vor. Für Solomon lag der Schlüssel zum eigenartigen Geschehen im Wasserdampf in der Atmosphäre.

In den letzten zwei Jahren wurde der Stillstand Mehrheitsmeinung, man nannte ihn „Hiatus“ – „Kluft“ –, auf diese Linie schwenkte auch der IPCC in seinem letzten Bericht 2014 ein. Immer mehr Gruppen fanden die Wärme, die sich oben am Land nicht zeigte, tief unten in den Meeren, strittig war nur, ob sie im Atlantik, im Pazifik oder in beiden ist.

„Hiatus“ oder „Artefakt“?

Nun soll alles wieder anders sein: Die Erwärmung sei im 21. Jahrhundert exakt so weiter gegangen wie gegen Ende des 20., die Zunft habe es nur nicht bemerkt, weil sich beim Messen so viel verändert und den Blick verzerrt habe. Das steht nun in Science – von der Redaktion mit Fragezeichen versehen: „Evidence against a global warming hiatus?“ Dies stammt von einer Gruppe um Thomas Karl (NOAA), die Folgendes annimmt: 1. Auf den Meeren habe man früher vor allem von Schiffen aus gemessen, heute nütze man überwiegend Bojen. 2.Was man doch noch von Schiffen aus messe, messe man anders, nicht mehr mit Thermometern im Meer, sondern im Meerwasser, das in die Schiffe gezogen wird. 3. Auch auf dem Land messe man anders bzw. fasse man die Messdaten anders zusammen.

Berücksichtige man all dies, hätten sich die Temperaturen von 2000 bis 2014 um 0,116 Grad erhöht: Die Stillstandsaussage des IPCC in seinem letzten Bericht sei „nicht länger gültig“, sie beruhe auf einem „Artefakt“, eben falschen Messungen bzw. ihrer falschen Interpretation (Science 4.6.). Stimmt nun das, sind die – eben von der gleichen NOAA – publizierten globalen Temperaturdaten der letzten 17 Jahre Makulatur. Die darauf gestützte Forschung ist es auch, vor allem jene, die die Wärme in den Ozeanen gefunden hat: Nun ist sie doch oben! All das macht die Arbeit für die nächste Weltklimakonferenz im Herbst in Paris nicht leichter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.