Physik: Ein Wundermaterial wie Kryptonit

FORMEL 1-TESTFAHRTEN: FUOCO (SCUDERIA FERRARI)
FORMEL 1-TESTFAHRTEN: FUOCO (SCUDERIA FERRARI)(c) APA/ERWIN SCHERIAU
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Kohlenstoffbasierte, gereinigte Nanoröhrchen sind das Material der Zukunft. Schon jetzt existiert es, etwa in Formel-1-Autos. Es muss aber noch verbessert werden.

Der Comic-Held Superman ist unbezwingbar. Kugeln prallen von ihm ab wie Fliegen. Wenn aber Schurken ein grün leuchtendes Wundermaterial – genannt Kryptonit – bei sich tragen, ist Superman machtlos. Er verliert in dessen Nähe all seine Übermenschlichkeit. Das außerirdische Material ist stärker. Der Held ist buchstäblich außer Kraft gesetzt.

Kryptonit ist nicht real. Kohlenstoffbasierte Nanomaterialien sind es. Die Ecuadorianerin Paola Ayala ist Physikerin an der Universität Wien und forscht derzeit mit genau diesen mikroskopisch kleinen Gebilden: „Die Strukturen der Nanoteile sind eine Milliarde Mal kleiner als ein Haar und sehen je nach Zusammensetzung aus wie ein Ball oder wie Röhrchen“, sagt die Forscherin, die 2009 mit einem Marie-Curie-Stipendium der EU im Gepäck in Wien gelandet ist.

Dieses Material bietet eine Menge Vorzüge: Es ist härter als Diamant – der ebenfalls aus Kohlenstoffatomen besteht –, es ist leicht, transparent, flexibel und hat eine sehr hohe elektrische Leitfähigkeit. Falls es der Forschung noch gelingt, sämtliche anderen Atome aus den Kohlenstoffverbindungen herauszubekommen, wird es kein Problem mit der Umweltverträglichkeit geben. Daran arbeitet Ayala, denn noch sind Nanoröhrchen nicht zu hundert Prozent rein. „Noch sieht das Material aus wie ein Stracciatella-Eis, und wir wollen die Streusel entfernen“, sagt sie.

Von der Theorie zur Praxis

Die Forschung konzentrierte sich in den letzten Jahren auf die Theorie. Künftig geht es an die Umsetzung. Ayalas Team ist es bereits gelungen, 99 Prozent reine Röhrchen zu produzieren. Damit können sich Forscher weltweit überlegen, wo sie das Material einsetzen. Wissenschaftler in den USA testeten bereits einen kohlenstoffbasierten Computer. Viele Rohstoffe, die für den Bau eines PC gebraucht werden, sind giftig – Nanocomputer sind das nicht. Heutige Computer mit der Siliziumtechnologie stoßen bereits an die Grenzen der Leistungsfähigkeit. Nanocomputer werden die Elektronik verbessern und die Geschwindigkeit leicht erhöhen. Nanoröhrchen werden die Zukunft der Technologie prägen: Als Transistoren, als Datenspeicher ohne externe Energieversorgung, als flache, selbstleuchtende Displays oder als leistungsfähige Messgeräte. Die Kohlenstoffverbindungen – zumeist noch gemischt mit Kunststoffen – befinden sich bereits in Flugzeugen, Formel-1-Autos oder Tennisschlägern.

Die Medizin wird ebenfalls profitieren, denn Nanoröhrchen lassen sich anorganisch und organisch verwenden. Es ist etwa möglich, biokompatible Muskeln herzustellen, die schwer verletzten Menschen implantiert werden können. Weitergedacht könnte daraus auch eine hundertprozentig kugelsichere Ganzkörperweste gemacht werden. Ein Superman-Anzug für jedermann. Der Held und die Menschen wären auf die gleiche Stufe gestellt. „Das alles ist möglich, bedarf aber noch intensiver Forschung“, sagt Ayala. (por)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2015)

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