Sonne und Wind: Schaffen wir die Energiewende?

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Themenbild(c) Die Presse - Clemens Fabry
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Im Energiesektor wird im Jahr 2048 nicht alles anders sein. Ein Experte der TU Wien warnt vor überzogenen Erwartungen. Doch Verbesserungen des bisherigen Systems können CO32 und Ressourcen sparen.

Bis zu 20 Prozent des prognostizierten Strombedarfs in der EU soll 2050 durch Wind und Wüstensonne gedeckt werden, so das hehre Ziel des Projekts „Desert Power 2050“. In klimatisch günstigen Regionen der Erde, konkret in Nordafrika und dem Nahen Osten, sollen die beiden erneuerbaren Energieträger, Wind- und Sonnenenergie, nicht nur den dort anfallenden Strombedarf decken, sondern zusätzlich überschüssige Energie für Europa bereitstellen. Wasser wird in der Sahara mit Sonnenkraft in Sauerstoff und Wasserstoff durch die sogenannte Elektrolyse gespalten. Der dabei anfallende Wasserstoff wird durch Rohre von Süd nach Nord transportiert, dort in Erdgaslagerstätten gespeichert und bei Bedarf in Strom umgewandelt.

Hört sich plausibel an. Man fängt die kostenlose Energie dort auf, wo sie anfällt, und transportiert sie dorthin, wo sie gebraucht wird, auch wenn der Verbraucher tausende Kilometer weit weg ist. Ein Projekt, das sich – davon ist der Energieexperte Peter Biermayr vom Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU Wien überzeugt – bis 2048 in diesem Umfang nicht realisieren lassen wird, das aber durchaus eine Zukunftsoption darstellt.

Österreich mit Wasserkraft gesegnet

Man wird Energie in Zukunft sowohl kleinräumig lokal beispielsweise mit Fotovoltaikanlagen auf Hausdächern erzeugen als auch im großen Stil dort, wo sie am effizientesten und in großen Mengen anfällt. Man wird also die Sonne in der Sahara nutzen und den Wind in Nordeuropa, die Energie speichern und zu Orten, die Energie nachfragen, transportieren. „Bei uns in Europa sind die erneuerbaren Energien mancherorts schon gut ausgebaut“, erklärt Biermayr. Aber nicht jedes Land ist zum Beispiel so mit Wasserkraft gesegnet wie Österreich, wobei die zusätzlichen Potenziale in diesem Bereich auch hierzulande bescheiden sind. Die besten Lagen für die Windkraftnutzung werden vielerorts auch schon genutzt. „Von den fossilen Energieträgern wird 2050 voraussichtlich im Wärmebereich Erdgas, beim Strom Kohle und Atomkraft und im Verkehr Erdöl eingesetzt werden“, sagt Biermayr.

Ein in diesem Zusammenhang auftretendes Thema, an dem sich die Techniker abarbeiten, ist die Energiespeicherung. Strom kann im Netz nicht gespeichert werden. Momentan sind die einzigen großtechnischen Speichermöglichkeiten von Strom Wasserspeicherkraftwerke, also Stauseen, aus denen bei Energiebedarf das Wasser quasi verstromt wird.
„Woran derzeit auf Hochtouren geforscht wird, sind große elektrochemische Speicher“, so Biermayr. „Im Kleinen gibt es diese schon. Man sieht sie öfters auf Berghütten, die ihren elektrischen Strom durch Fotovoltaikanlagen bereitstellen.“ In kleinen Akkumulatoren, ähnlich den Akkumulatoren in einem Auto, „wartet“ die gespeicherte Energie auf ihren Verbrauch. „In Zukunft könnte man sich auch große Akkumulatoren vorstellen, von denen ganze Gemeinden ihren Strom bei Bedarf nutzen.“ Heutzutage sind solche Akkumulatoren wirtschaftlich noch völlig unrentabel. Sie könnten aber in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Auch ein Ausbau der Wärmespeicher ist denkbar. Ein klassischer Wärmespeicher im Haushalt ist der Warmwasserboiler.

In Skandinavien gibt es einige hundert Kubikmeter fassende Wassertanks, in denen Wärme für Nah- und Fernwärmenetze gespeichert wird. Biermayr: „Derzeit arbeitet Dänemark daran, solare Wärme in teichähnlichen Erdbecken zu speichern. Solare Wärme kann aber auch mittels Erdsonden im Untergrund gespeichert werden.“

Um 50 Prozent weniger Heizenergie

Eines muss man sich, wenn man an die Energiewirtschaft 2048 denkt, realistischerweise vor Augen halten: Große Umwälzungen wird es bis dorthin nicht geben. „In 35 Jahren lassen sich kaum komplett neue Techniken erfinden und flächendeckend umsetzen, die eine Lösung all unserer Probleme mit sich bringen, das muss uns klar sein“, betont Biermayr. Sehr wohl wird es aber zahlreiche Verbesserungen des heutigen Energiesystems geben.
Der Energiebedarf zum Heizen wird 2048 fünfzig Prozent unter dem heutigen Verbrauch liegen. Dafür verantwortlich ist einerseits die bessere Dämmung der Gebäude durch intelligente Sanierung. Damit lassen sich mit der gleichen Energiemenge mehr Gebäude heizen. Und andererseits die demografische Entwicklung. Um 2020 werden in Österreich laut Studien fast keine neuen Gebäude mehr errichtet, außer wenn alte abgerissen werden. Mengenmäßig stagniert jedoch die Gebäudeanzahl.

„Im Bereich Verkehr ließe sich in Zukunft am meisten an Energieersparnis und Treibhausgasreduktion herausholen“, so Biermayr. Doch das Thema Verkehr wolle aus politischen Gründen niemand anpacken, es sei eine heilige Kuh.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2015)

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