Lithium-Batterien mit festem Kern

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Akkus. Grazer Forscher wollen mehr aus Lithium-Batterien herausholen. Sie forschen an Alterungsprozessen und an Batterien mit festem statt flüssigem Elektrolyt.

Die Entwicklung besserer Batterien steht ganz oben auf der Wunschliste vieler Technologiesparten, seien es erneuerbare Energien oder Elektromobilität. In wenig anderen Bereichen werden so enthusiastisch Revolutionen angekündigt und gefeiert. Und doch stellt in vielen Konzepten die Batterie nach wie vor das schwächste Glied dar, das über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Während in der Computertechnologie seit den 1970er-Jahren exponentielles Wachstum zu verzeichnen war (Stichwort Moore'sches Gesetz, die Anzahl der Transistoren auf einem Chip verdoppelt sich alle zwei Jahre), mahlen die Mühlen im Bereich der Batterienforschung, trotz großer Erfolge, viel langsamer.

Die Energiedichte bei Akkus, also wie viel Energie sie speichern können in Abhängigkeit von ihrem Gewicht, hat sich vom Bleiakku hin zu aktuellen lithiumbasierten Systemen weniger als verzehnfacht. Bleiakkus gibt es aber seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Energiedichte von Benzin ist immer noch etwa um das 50-fache höher als bei den besten Lithium-Akkus. Höhere Werte sind möglich, gehen aber auf Kosten der Haltbarkeit, der Schnellladefähigkeit oder der Sicherheit.

Innovationen sind also hoch willkommen. An der TU Graz gibt es seit 2013 ein Christian-Doppler-Labor für Lithium-Batterien, wo man sich vor allem für Batteriealterung, die Entwicklung von Kleinstbatterien und Grundlagenforschung zum Ionentransport mithilfe spektroskopischer Methoden interessiert.

Welche Batterie ist die beste?

Lithium-Ionen, Lithium-Polymer – welcher Batterietyp ist derzeit eigentlich State of the Art? Fast alles drehe sich nach wie vor um Lithium, erklärt Martin Wilkening, der Leiter des CD-Labors: „Lithium-Ionen sind klein, leicht und mobil.“ In jeder Batterie müssen Ionen, also Atome, denen ein oder mehrere Elektronen fehlen, durch ein Elektrolyt transportiert werden. Je einfacher der Transport, desto besser; kleine, mobile Ionen sind also von Vorteil. „Es gibt derzeit eine ganze Palette von Lithium-Ionen-Batterien, die sich in ihren Materialkombinationen unterscheiden“, so Wilkening.

Im Automobilbereich werden Lithiumbatterien unter anderem wegen ihrer hohen Energiedichte eingesetzt. Gemeinsam mit der Grazer AVL List will man am CD-Labor die Prozesse im Inneren dieser Batterien besser verstehen. „Wir untersuchen Alterung, also irreversible Prozesse. Welche unumkehrbaren elektrochemischen Veränderungen treten in den Zellen auf und welche Auswirkungen haben sie? Am Ende soll aus den Daten ein Modell entstehen, das künftigen Autos helfen soll, die Batterie möglichst effizient zu nutzen.“

Ein weiterer Forschungsbereich sind Kleinstbatterien, an denen Infineon Austria Interesse hat. Diese sind zum Teil nur wenige Millimeter groß und könnten wie Computerchips auf Siliziumwafern hergestellt werden. „Hier interessiert uns Silizium als Anode“, erklärt Wilkening. Silizium wird auch als ein künftiger Hoffnungsträger für besonders kapazitätsstarke Batterien gehandelt. Das CD-Labor widmet sich der Miniaturisierung und der Nutzung des Siliziums, aus dem die Wafer (hauchdünne Scheiben) bestehen, als Teil der Batterie. Anwendungsgebiete sind „alle elektronischen Geräte mit On-Board-Energiespeicher, etwa im Bereich von Sensoren“, so Wilkening.

Tests im Megahertz-Bereich

Zur Untersuchung der mikroskopischen Effekte in Batterien nutzt man Spektroskopie. Dazu wird eine kleine Modellbatterie sehr hochfrequentem Wechselstrom ausgesetzt (bis zu einigen hundert Megahertz – die Einheit steht für Millionen Schwingungen in der Sekunde) und aufgezeichnet, wie sie reagiert. „Wir nutzen dafür hochpräzise Spektrometer, die große Frequenz- und Temperaturbereiche abdecken“, sagt Wilkening.

Besonders interessant sind für die Forscher Kernresonanz-Experimente. Dabei untersucht man die Probe berührungslos, indem ein magnetisches Wechselfeld im Megahertz-Bereich angelegt wird. Das Magnetfeld wechselwirkt dabei direkt mit den Kernen der Lithium-Atome, genauer gesagt mit dessen quantenmechanischem Spin. Die Methode ist nur für bestimmte chemische Elemente anwendbar, Lithium ist eines davon. „Lithium ist mit der Methode sehr gut erfassbar“, sagt Wilkening, „so können wir nachverfolgen, was sich im Inneren verändert, welche neuen Strukturen sich bilden.“ Das können auch Schädigungen sein, die für das Altern der Batterie verantwortlich sind.

Feste Elektrolyte sicherer

„Neben den Projekten mit AVL und Infineon haben wir weiteren wissenschaftlichen Freiraum im CD-Labor“, sagt Wilkening. „Hier interessieren wir uns besonders für feste Elektrolyte. In konventionellen Batterien ist der Elektrolyt flüssig.“ Dabei ist die Leitfähigkeit das entscheidende Thema, die Ionen müssen durch ein festes Medium transportiert werden, und das bei Raumtemperatur. „In den letzten Jahren gab es enorme Fortschritte, derzeit spüren wir einen großen internationalen Wettlauf.“ Der Vorteil: Diese Batterien wären länger haltbar und sicherer. Ein Problem sind Widerstände an Grenzschichten innerhalb der Batterie. Dort treten Phänomene auf, die man noch genau studieren muss.

Große Revolutionen auf dem Batteriesektor für sofortige praktische Anwendungen verspricht man in Graz in der nächsten Zeit nicht: „Die wissenschaftliche Berichterstattung ist in diesem Bereich nicht immer ganz eindeutig. Manche versprechen zu viel, manchmal ist Zurückhaltung gefragt“, sagt Wilkening.

Für den vermehrten Praxiseinsatz der Batterien sieht Wilkening aber keine großen Hindernisse. „In vielen Bereichen ist man bereit, sich auf etwas Neues einzulassen. Und mit der Verbreitung werden auch die Kosten sinken.“

LEXIKON

Lithium ist ein Metall, das leichteste im Periodensystem, mit der Ordnungszahl 3, direkt hinter Wasserstoff und Helium. Aluminium etwa hat das vierfache Atomgewicht. Lithium gehört zu den Alkalimetallen und ist sehr reaktiv, weshalb es in der Natur nicht frei vorkommt. In seiner reinen Form hat es eine silbrig-weiße Färbung. Für Batterien ist es besonders geeignet, weil seine kleinen, leichten Ionen sehr mobil sind und im Elektrolyt weniger Widerstand erfahren als andere Metallionen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2015)

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