Der Indian Summer ist kein Altweibersommer

Sparkling Science. Tiroler Schüler wollen wissen, wozu bei Pflanzen die Färbung der Herbstblätter dient: Daher forschen sie gemeinsam mit Wissenschaftlern mit hochtechnischen Geräten im Labor.

Die Blattfärbung im Herbst ist ein zyklisch-chemisches Naturschauspiel. Menschen bezeichnen die bunte Vielfalt etwa als golden oder Indian Summer. In Österreich sagt man gerne Altweibersommer, wobei die Bezeichnung vom althochdeutschen weiben, weben, kommt und die vom Tau benetzten Spinnweben der Baldachinspinnen meint. Doch die österreichische Beschreibung ist „nicht mehr zeitgemäß“, sagt Thomas Müller vom Institut für Organische Chemie an der Uni Innsbruck. Deshalb entschied sich der Leiter des vom Wissenschaftsministerium geförderten Sparkling-Science-Projekts „Indian Summer in Tirol“ für den englischen Ausdruck.

Schüler des Bischöflichen Gymnasiums Paulinum in Schwaz, des BRG Adolf-Pichler-Platz Innsbruck, des BRG/BORG Landeck und des Katholischen ORG Kettenbrücke in Innsbruck arbeiten dabei mit modernen Geräten des Universitätslabors in Innsbruck, um dem pflanzlichen Nutzen der Blattverfärbung auf die Spur zu kommen. Sie bedienen sich etwa der Chromotografie, die die Aufteilung eines Stoffgemisches in seine Einzelbestandteile erlaubt oder der Massenspektronomie, mittels der die Atome im Stoff erkannt und abgezählt werden.

Bisher ist zwar klar, dass die Pflanze jährlich Farbstoffe abbaut – wozu es der Pflanze genau dient, noch nicht. Das Blattgrün wird abgebaut, weil es die Rezyklierung von Nährstoffen stören würde. So könne die Pflanze wieder aufgefrischt in den Frühling starten: „Wir haben bereits gezeigt, dass die Abbauprodukte im Zuge der Blattverfärbung starke Antioxidantien sind. Der Abbau ist kein Absterben, er wird in der Pflanze gezielt gesteuert“, sagt Müller. Die Antioxidantien werden auch in Früchten während des Reifungsprozesses gebildet, so auch, wenn sich ein Apfel von grün auf gelb oder rot färbt. Das langfristige Ziel der Schüler und Forscher ist es, zu zeigen, dass die Abbauprodukte für andere Lebewesen – Tiere oder Menschen – als Nahrungsmittelbestandteil eine Funktion haben oder gar gesund sein können: „Dann kann man sich die Frage stellen, solche Moleküle eines Tages der Nahrung bewusst zuzusetzen“, sagt Müller. Die Schüler können nun mit Analysen noch nicht untersuchter Pflanzen Anstöße liefern, die von Forschern weiterverarbeitet werden. (por)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2015)

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