„Licht ist für Tiere ein wichtiger Zeitgeber“

Feature - Haus des Meeres
Feature - Haus des Meeres(c) APA (Schlager Roland)
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Biologie. Lichtverschmutzung bringt auch die innere Uhr von Tieren durcheinander. Wiener Forscher untersuchen, wie das künstliche Licht das Leben der Blaumeisen im Wienerwald verändert.

Meeresschildkröten werden bei der Eiablage fehlgeleitet, ihre Jungen finden nicht mehr ins Wasser. Bei Hamstern wurden depressionsähnliche Zustände festgestellt, wenn sie im Labor länger mit künstlichem Licht bestrahlt werden. Und für nachtaktive Zugvögel werden Wolkenkratzer mitunter zur Falle. Zu viel Licht stört nicht nur die innere Uhr des Menschen. Auch der Tag-Nacht-Rhythmus und die Orientierung von Tieren geraten durcheinander.

„Für Tiere ist Licht ein wichtiger Zeitgeber. Sie wissen so, wann es Zeit ist, sich zu paaren, zu brüten, auf Futtersuche oder Wanderschaft zu gehen“, sagt Verhaltensbiologin Katharina Mahr vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vet-Med-Uni Wien. Sie untersucht seit 2013, wie Blaumeisen auf Lichtverschmutzung reagieren. „Die Vögel sind häufige Stadtbewohner und damit oft in Arealen mit künstlichem Licht“, sagt sie.

Wienerwald beleuchtet

Die Forscher beleuchteten dazu während der Brutzeit Areale des Wienerwalds mit LED-Lampen – für die dort lebenden Tiere wurde es dadurch zwei Stunden früher hell. Die Wiener Forscher gehören zu den ersten, die Effekte künstlicher Beleuchtung experimentell in natürlicher Umgebung untersuchen: Experimentelle Freilandstudien zu den Folgen von Lichtverschmutzung sind noch rar.

Beobachtet wurde, wann die Vögel aktiv werden, wann sie ihre Jungen füttern und ob sich im Kot der Tiere vermehrt Stresshormone finden. „Die Jungen in den künstlich beleuchteten Nistkästen schienen tatsächlich in etwas schlechterer Kondition zu sein“, sagt Mahr. Zur Bewertung wird – wie beim BMI beim Menschen – Größe und Gewicht in Relation gesetzt.

Aber auch die Fremdgeh-Wahrscheinlichkeit der Vögel interessiert die Forscher. Ihre Idee: Wenn die Männchen früher zu singen beginnen, ist das attraktiv für die Weibchen. Diese könnten die beleuchteten Areale nutzen, um heimlich fremdzugehen und ziehen dann Junge verschiedener Väter auf. Die von den Forschern gesammelten Vaterschaftsdaten sind derzeit bei der Auswertung in der Schweiz.

Parks als Rückzugsorte

Wie kann man die Tiere schützen? In Wien könnten die großen Parkflächen den Tieren als Rückzugsmöglichkeit dienen. Es könne sinnvoll sein, in Städten dunkle Areale zu belassen und nur dort zu beleuchten, wo unbedingt notwendig. Auch die verwendeten Lichttypen seien oft zu grell für die Tiere.

In der Hühnerhaltung wiederum nutzt man das Wissen, dass Vögel sehr sensibel auf Licht reagieren, ganz gezielt: Dort bringt man die Tiere mit einem künstlich gesteuerten Tag-Nacht-Rhythmus dazu, mehr Eier zu legen. (gral)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2015)

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