Doppelte Wirkung gegen die Geschlechtskrankheit

 MOUSE
MOUSE(c) EPA (Everett Kennedy Brown)
  • Drucken

Medizin. Chlamydien sind die häufigsten sexuell übertragenen Bakterien. Sie können Unfruchtbarkeit hervorrufen. Einem Forscherteam mit Wiener Beteiligung ist nun erstmals eine Impfung dagegen gelungen: an Mäusen.

Weltweit infizieren sich 100 Millionen Menschen pro Jahr mit Chlamydien. In unseren Breiten ist sie die häufigste bakterielle Geschlechtskrankheit: Chlamydia trachomatis führt zu einer Entzündung der Schleimhäute. Harnröhrenentzündungen, Eileiterschwangerschaften bis hin zu Unfruchtbarkeit bei Frauen sind die Folgen. In den Entwicklungsländern ist eine Infektion auch als häufigste Ursache für Erblindungen gefürchtet: Durch Schmierinfektion gelangen die Bakterien in die Augenschleimhaut, wo sie das entzündliche Trachom hervorrufen (siehe Lexikon).

Schon vor mehr als 50 Jahren versuchte man, eine Impfung zu entwickeln. Dabei wurden – wie es üblich ist – inaktivierte Krankheitserreger geimpft. Doch das Ergebnis blieb aus. „Alle Versuche, die Menschen durch eine Immunisierung vor Chlamydien zu schützen, schlugen nicht nur fehl, sondern führten manchmal sogar dazu, dass sie noch anfälliger für diese Infektion wurden“, berichtet Georg Stary, Dermatologe an der Med-Uni Wien. Ihm ist es innerhalb eines internationalen Forscherteams an der Harvard Medical School in Boston gelungen, eine funktionierende Impfung im Mausmodell zu entwickeln. Die Ergebnisse wurden nun im Fachmagazin „Science“ publiziert.

„Das Heimtückische an der Erkrankung ist, dass die Infizierten in der ersten Phase keine Beschwerden haben. Genau in dieser akuten Phase könnte man die Bakterien sehr erfolgreich mit Antibiotika behandeln“, so Stary. Die Menschen nehmen die Erkrankung meist erst wahr, wenn sie in das chronische Stadium übergeht. Doch da bleibt eine Behandlung mit Antibiotika oft wirkungslos. Eine Impfung würde dem entgegenwirken.

Ein Dreier macht die Wirkung

Die Forscher konnten nun die Ergebnisse von vor 50 Jahren bestätigen: Mäuse, die mit inaktivierten Erregern infiziert wurden, waren für eine Infektion sogar anfälliger. Daher mussten sie sich einen neuen Weg einfallen lassen.

„Wir kombinierten einen bestimmten Nanopartikel mit einem sogenannten Adjuvans“, sagt Stary. Das ist ein immunstimulierender Stoff. Dadurch wird das Immunsystem quasi auf Touren gebracht. Das Adjuvans allein würde sehr plötzlich wirken und Nebenwirkungen wie Fieber und Schüttelfrost hervorrufen. Erst in Kombination mit dem Nanopartikel wirkt es langfristig und in verträglichen Dosen. An diesen Komplex wurden die inaktivierten Chlamydien gebunden. Erst dieser Dreier bewirkt, dass das Immunsystem mit einer schützenden Antwort reagiert und Chlamydien nach einer erfolgten Infektion bekämpft. Getestet wurde das sowohl an normalen Mäusen als auch an humanisierten Mäusen. Das sind genmanipulierte Mäuse, die – mit embryonalen Stammzellen des Menschen – kein eigenes Immunsystem, sondern ein menschliches entwickeln.

Für den Impferfolg ist außerdem wichtig, dass zwei Wellen von Immunzellen aktiviert werden. Einerseits bilden sich durch die Impfung gewebespezifische Gedächtniszellen, die vor Ort – im Fall der Chlamydien also in den Schleimhäuten – auf die Erreger warten, um sie unschädlich zu machen. Und andererseits gibt es die im Blut zirkulierenden Gedächtniszellen, die bei Bedarf ins Gewebe einwandern. „Wir versuchen nun, auch gegen andere Schleimhautinfektionen mit unserer Methode passende Impfstoffe zu entwickeln“, so Stary. Der bedeutendste Kandidat dafür ist natürlich HIV.

LEXIKON

Das Trachom ist eine Form der Bindehautentzündung der Augen. Verursacher ist das Bakterium Chlamydia trachomatis. Folgen der Infektion sind eine Vernarbung der Augenbindehaut, das Einwärtswachsen der Wimpern, eine Hornhauttrübung, indem die Wimpern direkt an der Hornhautoberfläche scheuern, und im schlimmsten Fall eine Erblindung. Es ist die häufigste Augenerkrankung weltweit. Nach Schätzungen gibt es 500 Millionen Erkrankte und sechs Millionen dadurch erblindete Personen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.