CERN: Österreichische Studenten fürchten um Praktika

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FRANCE CERN DETECTOR CMS(c) EPA (Salvatore Di Nolfi)
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Der Ausstieg Österreichs aus dem CERN würde zahlreiche Diplomarbeiten, Dissertationsstellen und Praktika gefährden, erklären Physik-Studenten. Die Wissenschaft werde durch die Maßnahme mit Füßen getreten.

Physik-Studenten der Universität Wien und der Technischen Universität Wien haben Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) am Freitag für den angekündigten Ausstieg aus der Europäischen Organisation für Kernforschung CERN gerügt. Es handle sich um einen "groben Einschnitt in die österreichische Forschungslandschaft", der Praktika österreichischer Studenten an dieser Einrichtung gefährde. Auch Diplomarbeiten und Dissertationsstellen hingen nun "in der Luft", warnte die Vorsitzende der Studienvertretung Physik an der Uni Wien, Carina Karner, in einer Aussendung.

"Wissenschaft mit Füßen getreten"

Am CERN-Projekt seien viele hochkarätige österreichische Wissenschafter und Lehrende beteiligt. Daher würden auch die heimischen Universitäten, besonders die Studierenden, enorm profitieren. Durch den Ausstieg gehe die Möglichkeit, an diesem internationalen Projekt mitzuwirken, verloren. Karner wirft Hahn vor, kurzsichtige Wissenschaftspolitik zu betreiben. "Wie soll Österreich jemals wieder einen Nobelpreis bekommen, wenn hochkarätige Wissenschaft mit Füßen getreten wird?"

Falsch gesetzte Prioritäten

"Die budgetäre Prioritätensetzung in Österreich läuft in eine komplett falsche Richtung" , kritisierte Bianka Ullmann, Vorsitzende der Studienvertretung Physik an der TU Wien. Während für Banken 100 Milliarden Euro ohne Probleme locker gemacht werden könnten, seien 20 Millionen für ein wissenschaftliches Großprojekt zu viel verlangt.

"Historischer Irrtum"

Herbert Pietschmann, ehemals österreichischer Delegierter im CERN-Aufsichtsrat und früherer Direktor des Instituts für Hochenergiephysik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, spricht in einem Brief an Hahn von einem "historischen Irrtum". Er vermute, dass der Minister über die Konsequenzen "nicht ausreichend informiert" wurde, da er, Pietschmann, und andere "einschlägig ausgewiesene österreichische Fachleute" erst aus den Nachrichten vom CERN-Austritt erfahren hätten. Er warnte, dass Österreich als Land, "das so gewichtige Zeichen des Desinteresses an einem der grundlegendsten Forschungsbereiche der Physik setzt", auch in anderen Bereichen der physikalische Grundlagenforschung "an Gewicht verliert".

Austritt könnte Kettenreaktion bewirken

Pietschmann äußerte außerdem die Befürchtung, dass Österreich durch seinen Austritt aus finanziellen Gründen "die Hemmschwelle für andere Länder gesenkt" habe. Als Folge könne das CERN-Programm so weit geschädigt werden, dass wesentliche Entdeckungen "in die ferne Zukunft verschoben werden oder gar ausbleiben." Der Physiker appellierte an Hahn, den Austritt nicht zu vollziehen und "den Schaden, der schon durch Ihre Ankündigung entstanden ist, möglichst zu beschränken."

(APA)

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