Bauen: Ein Brett in vielen Schichten

(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Holz wird immer mehr zum Hightechprodukt. Durch Innovationen lässt sich mit Brettsperrholz immer größer und stabiler bauen. Auch neue Holzsorten kommen zum Einsatz.

Es gibt sie in der Flugzeugindustrie, der Sportbranche oder im Automobilbau: intelligente Hightechmaterialien aus einem optimierten Ausgangsstoff gefertigt. „Vor rund zwanzig Jahren haben wir ein Analogon im Bereich der Holzindustrie geschaffen, nämlich Brettsperrholz (BSP). Der massive, mehrschichtig aufgebaute Baustoff hat hervorragende bauphysikalische und mechanische Eigenschaften“, sagt Manfred Augustin von der Holzbau Forschungs Gmbh der TU Graz.

Im von Technologie- und Wissenschaftsministerium unterstützten K-Projekt „Focus STS (Solid Timber Solutions)“ forschen Wissenschaftler am Kompetenzzentrum mit allen BSP-produzierenden Betrieben Österreichs und Partnern aus Klebe- und Verbindungstechnik an offenen Fragen in Produktion, Prüfung, Verbindungstechnik und Verhalten von BSP-Bauteilen. Ziel ist, noch effizientere Bausysteme zu entwickeln.

Durch kreuzweise verleimte Schichten werden sogenannte anisotrope Eigenschaften des Holzes unterdrückt: „Holz arbeitet, dehnt sich aus, zieht sich zusammen. Und es verhält sich in unterschiedliche Richtungen anders, je nachdem, ob man es drückt, biegt oder daran zieht“, erklärt Augustin. „Kontrolliertes“ Holz eignet sich als Baustoff für immer größere Gebäude und kann qualitativ und wirtschaftlich Beton und Stahl sogar übertreffen.

Gebäude sind erdbebensicher

„BSP-Elemente können bis zu 20 mal drei Meter groß sein, weisen hervorragende Wärmedämmeigenschaften auf, tragen Lasten in verschiedene Richtungen ab und sind erdbebensicher. Der hohe Vorfertigungsgrad und die trockene Bauweise machen immer kürzere Errichtungszeiten möglich“, so Peter Rossegg von Stora Enso, einem der größten Brettsperrholzproduzenten. Das Unternehmen hat in Melbourne, Australien, das erste aus BSP gebaute öffentliche Gebäude, eine Bibliothek, mit einem Gesamtholzvolumen von 570 Kubikmetern geliefert. Weitere Beispiele von Holzbauten sind ein achtstöckiges Wohngebäude in London oder die von Mayr Melnhof errichtete Kelty School in Schottland. „Wir sparen pro Kubikmeter Brettsperrholz auch nach der Produktion mehr als 700 Kilogramm CO2 gegenüber anderen Baustoffen“, nennt Sebastian Knoflach, Produktmanager bei Mayr Melnhof einen weiteren Vorteil. Zudem bietet Holz eine angenehme Wohnatmosphäre und natürliches Wohnklima. Und einen positiven Nebeneffekt: Einer Studie des Human Research Institute zufolge empfinden in Holzhäusern unterrichtete Schulkinder weniger Stress: Die Pulsrate sinkt, und die Konzentration steigt.

Jede Sekunde Holz für ein Haus

Ebenfalls steigt das kollektive Bewusstsein, die Ressource Holz zu schonen. „Zwar wächst in Österreich jede Sekunde so viel Holz nach, dass man daraus ein Haus bauen könnte, und vor allem mehr, als wir im Moment nutzen. Aber Holzbauteile intelligenter zu machen und Hybridbauteile, sprich geklebte oder geschraubte Holz-Stahl- oder Holz-Kunststoff-Verbindungen, helfen, Material zu sparen“, sagt Augustin.
Dieser Gedanke schließt die Verwendung anderer Holzsorten mit ein. Eine Neuheit: Bisher wurden Brettsperrholzelemente aus Nadelhölzern wie Fichte oder Kiefer gefertigt. In enger Zusammenarbeit mit der TU Graz, dem Institut für Holzbau und Holztechnologie und der Holzbau Forschungs Gmbh ist es Hasslacher Timber gelungen, in der Oststeiermark erstmals ein komplettes Haus aus Birken-BSP zu errichten.

„Birkenholz weist eine hohe Materialdichte auf, was zu besseren bauphysikalischen Werten und höherer Stabilität sowie Sicherheit führt“, sagt Georg Jeitler von Hasslacher. Große Herausforderungen lagen im Einschnitt und der anschließenden Trocknung, um die Schichten miteinander verkleben zu können. Die Holzexperten mussten besondere Trocknungsprogramme und gemeinsam mit Klebstoffherstellern ein eigenes Pressverfahren entwickeln. So konnten die Plattenstärken um rund 15 Prozent reduziert werden.

Die Dichte an Holzbauten beweist, dass mit Holz zu bauen immer mehr im Trend liegt. Der Branchenmeinung zufolge müssten die Gesetze aufgeweicht werden, damit noch höher und weiter mit Holz gebaut werden darf. Denn schließlich ist man damit nicht auf dem Holzweg, sondern auf dem Weg in die Zukunft.

Lexikon

Anisotropie ist die Richtungsabhängigkeit einer Eigenschaft oder eines Vorgangs. Holz ist durch seinen biologischen Aufbau, seine Spaltbarkeit, Elastizität, Härte und Längenveränderungen durch Quell- und Schwindverhalten ein anisotropes Material. Es wird zwischen axialer (Faser), radialer (parallel zu Holzstrahlen) und tangentialer Richtung (parallel zu Jahresringen) differenziert. In diesen Achsen unterscheiden sich die physikalischen und technologischen Eigenschaften.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.