Archäologie: Hafen der Wikinger entdeckt

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Das norwegische Borre ist seit dem 19. Jahrhundert als Wikinger-Begräbnisstätte bekannt. Eine internationale Forschergruppe konnte nun den dazugehörigen Hafen nachweisen.

Wer kennt sie nicht, die Wikinger? Die kriegerischen, zur See fahrenden „starken Männer“, die seit 1974 vielen Kindern aus der Fernsehserie bekannt sind oder den Jüngeren von den Neuverfilmungen des Zeichentrickfilms „Wicki und die starken Männer“. Die meist nordischen, aber auch baltischen Wikinger aus dem Nordsee- und Ostseeraum des Frühmittelalters zwischen rund 790 und 1066 n. Chr. machten nur einen Teil der damaligen skandinavischen Bevölkerung aus, ihre Faszination ist jedoch ungebrochen.

Sogar die Schallaburg in Niederösterreich widmet ihre diesjährige Ausstellung den Wikingern, die sich selbst gar nicht so bezeichneten. Viking nannte man damals einen Plünderungszug, eine weite Schiffsreise oder eine Handelsfahrt.

Schiff als Grabbeigabe

Auch die Wissenschaftler hat das Wikingerfieber erfasst. Borre am Oslofjord in Norwegen ist seit dem Jahr 1852 als bedeutender archäologischer Fundort aus der Wikingerzeit bekannt. Dort befinden sich Grabhügel aus der Zeit zwischen 600 und 900 n. Chr. Sie haben heute noch einen Durchmesser von 50 Metern und erreichen eine Höhe von acht Metern. Im 19. Jahrhundert wurde in einem dieser Hügel ein ganzes Wikingerschiff als Grabbeigabe entdeckt.

Ein internationales Forscherteam untersuchte diese Begräbnisstätte nun mit neuen geophysikalischen Methoden. Es gelang den Wissenschaftlern, anhand der Verschiebung der Küstenlinien und deren Ablagerungen den dazugehörigen Hafen der Wikinger ausfindig zu machen. Dabei wurden archäologische Fragestellungen mit geologischen Mitteln beantwortet.

Diese junge interdisziplinäre Forschungsrichtung nennt man Geoarchäologie. Der Geoarchäologe Erich Draganits und der Archäologe Michael Doneus vom Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie der Uni Wien arbeiten für diese Studien mit dem Ludwig-Boltzmann-Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie, dem Vienna Institute for Archaeological Science, dem Department für Geodynamik und Sedimentologie, der Region Vestfold und dem Norwegian Institute for Cultural Heritage Research zusammen. Eingesetzt wurden neueste Forschungsmethoden wie das sogenannte Airborne-Laser-Scanning, kurz ALS genannt. Dadurch lassen sich auf der Erdoberfläche selbst kleinste geologische und archäologische Geländeformen dokumentieren und visualisieren, die unter der Erde liegen – und das effizient, detailliert und vor allem zerstörungsfrei.

Daten aus dem Flugzeug

„Dafür werden Daten verwendet, die durch einen Laserscanner, in Kombination mit einem sehr präzisen GPS-System von einem Flugzeug aus gewonnen werden“, sagt Erich Draganits. Das Flugzeug fliegt dabei sehr knapp über dem Boden. Das Lasergerät sendet Laserstrahlen aus, die von der Erdoberfläche reflektiert werden. Aus der Zeit, die vergeht, bis der Laserstrahl wieder am Flugzeug auftrifft, lässt sich ein sehr exaktes topografisches Bild der vermessenen Region erstellen.

„Damit konnten wir auch kleinste Grabhügel, die nur wenige Dezimeter hochragen und damit auf dem Boden kaum erkennbar wären, ausfindig machen“, so Draganits. Anhand der ALS-Daten ist klar zu erkennen, dass das dafür aufgeschüttete Erdreich aus dem Bereich unmittelbar um die Grabhügel stammt. „Wir konnten außerdem zwei Wellenbrecher aus der Wikingerzeit erkennen, die beim Hafen angelegt wurden, um diesen Bereich vor Wellen zu schützen.“ Das sind schmale, lange, aufgeschichtete Dämme. „Das Material stammt 200 Meter landeinwärts aus den Resten eines ehemaligen Gletschers, also einer Endmoräne.“

Lexikon

Eisschild. In der Mitte der letzten Eiszeit war Skandinavien von einem 3000 Meter hohen Eisschild bedeckt. Danach schmolz das Eis ab. Skandinavien hat sich seither um ungefähr 270 Meter gehoben. Auch heute noch hebt sich der skandinavische Boden etwa um acht Millimeter pro Jahr. Die Küste verschiebt sich so immer noch Richtung Meer, Skandinavien wird größer. Daher befinden sich viele Wikingerhäfen heute auf dem Trockenen, viele Meeres-verbindungen existieren gar nicht mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2015)

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