Der jüngste Gentechnik-Geist soll in die Flasche zurück

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Derzeit wird das Feld von einer Technik revolutioniert – CRISPR –, die grenzenlose Möglichkeiten und Risken birgt. Leicht handhabbar und billig ist sie obendrein. Deshalb stellen die Proponenten auf Bremsen um und wollen selbst auferlegte Sicherheitsregeln.

„Das kann jeder Affe.“ Mit diesen Worten soll ein Gespräch Ende der Achtzigerjahre geendet haben. Sie kamen von James Watson, der einst gemeinsam mit James Crick mühsamst die Struktur der DNA erhellt hatte. Nun war er bei der US-Gesundheitsbehörde NIH und warf einen Mitarbeiter hinaus, Craig Venter. Dieser hatte ein revolutionäres Verfahren zur Genanalyse ersonnen, es wurde von Maschinen ausgeführt. Das missfiel Watson, er hatte die Macht. Venter hatte den Erfolg, Sequenzierautomaten stehen heute in vielen Laboren.

Nun ja, mit Genanalysen kann man keinen Schaden anrichten. Aber mit der jüngsten Revolution der Gentechnik kann man es, mit CRISPR: Das ist ein Werkzeug, mit dem man ein Genom punktgenau aufschneiden und verändern kann. Etwa mit der Folge, dass eine Genvariante sich blitzschnell verbreitet: Letzten Dezember sind im Labor von James Gantz (UC San Diego) Fruchtfliegen geschlüpft, von denen nach Mendels Regeln nur jede vierte eine besondere Farbe hätte haben sollen. Aber Gantz und sein Mitarbeiter Ethan Bier hatten Mendel außer Kraft gesetzt, mit CRISPR: Alle Fruchtfliegen hatten die Farbe. „Es war, als wäre die Sonne im Westen aufgegangen“, erinnerte sich Gantz, er schrieb drei Tage und Nächte, dann ging der Letter an „Science“: „The mutagenic chain reaction“.

„Kettenreaktion der Mutation“

„Science“ ließ sich immerhin Zeit zum Peer Review, aber Mitte März konnte jeder die Rezeptur nachlesen, mit der man Gene rasch durch Populationen verbreitet (Gene drive), und auch die Perspektiven, die Gantz und Bier damit geöffnet haben: Man könne etwa ein tödliches Gen in Moskitos bringen und sie damit allesamt ausrotten. Nicht jeder fand Gefallen an dieser Kettenreaktion: CRISPR ist extrem einfach zu handhaben und auch billig, jeder halbwegs in Molekularbiologie Bewanderte kann damit Gene treiben. Und halbwegs bewandert sind heute so viele wie nie.

Alles andere als begeistert war vor allem George Church (Harvard): Er hat selbst mit Gene drive experimentiert, an Hefen. Er beackert auch das zweite große Feld von CRISPR: Man könnte damit Erbkrankheiten wie Thalassämie loswerden, man müsste nur die entsprechenden Gene in Eizellen und oder Sperma reparieren. Die Idee ist umstritten, man könnte beliebige Gene einbauen und hätte den Menschen nach Maß.
Und Forscher in China waren vorgeprescht, sie hatten das Verfahren an Embryos angewandt. Da konnte Church nicht noch eine zweite Front brauchen, die des Gene drive mit seinen grenzenlosen Möglichkeiten und ebensolchen Risken: Er hatte seinen Hefen Biosicherheit eingebaut – ein Entkommen aus dem Labor sollten sie nicht überleben –, Gantz/Bier hatten bei ihren Fruchtfliegen nichts Vergleichbares, Church kritisierte das hart, Gantz/Bier replizierten ebenso.

Nun haben sie sich zusammengetan, um den CRISPR-Geist zumindest halbwegs in der Flasche zu halten: Man möge beim Gene drive Biosicherheit einbauen – Selbstmordgene etwa –, man möge Organismen mit solchen Genen nie zwischen Laboren tauschen, zumindest nicht, solang es keine Biosafety-Richtlinien gibt („Science“ 30. 7.). Die Liste ist kurz, Church/Ganz/Bier wissen, dass Richtlinien den Revolutionen der Technik immer hilfloser hinterherhinken, sie wissen auch, dass sie „nicht alle Forscher repräsentieren“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2015)

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