DNA: Speicher für die Ewigkeit?

Symbolbild DNA - Gentechnik
Symbolbild DNA - Gentechnikwww.BilderBox.com
  • Drucken

Die Datenträger werden so kurzlebig, dass digitales Vergessen droht. Als Alternative bietet sich der Informationsträger der Biologie an. Ausgereift ist das noch nicht.

„Aufbewahren für alle Zeit!“ So überschrieb Lew Kopelew 1976 seine Autobiografie, sie erschien auf Deutsch, in der Sowjetunion war sie verboten. Und falls das Buch damals auch auf Festplatten archiviert wurde oder auf Magnetbändern, konnte es dort dem Wunsch seines Autors nicht entsprechen, nach etwa 30 Jahren geben solche Speichermedien ihr Gedächtnis auf. Die gedruckte Fassung hält länger, selbst wenn sie – illegal im Samisdat – auf Zeitungspapier erschienen sein sollte, hundert Jahre bleibt das zuverlässig, so ist es auch mit säurehaltigem Papier, darauf wurden viele Bücher zu Beginn des letzten Jahrhunderts gedruckt, sie sind jetzt am Zerfallen. Oder sie sind längst unleserlich geworden, weil das Eisen in den Druckfarben langsam vor sich hin gerostet ist.

Medien: Je älter, desto dauerhafter

Früheres Papier hatte bessere Qualität, man kann sie etwa im Trinity College (Dublin) bestaunen, wo jeden Tag eine andere Seite des „Book of Kells“ – aus dem Jahr 800 – mit ihren prächtigen Illustrationen ans Licht darf. Je weiter man zurückgeht, desto dauerhafter sind die Speicher, der Papyrus Ebers – eine medizinische Fachschrift – stammt aus dem 16. Jahrhundert v. Chr., in sumerische Tontäfelchen wurde vor 7000 Jahren geritzt.

Zu etwas ganz Analogem kehrt man heute zurück, um dem digitalen Vergessen – dem immer kürzeren Leben der Datenträger – zu wehren, Steinzeugtafeln mit aufgebranntem keramischen Farbdruck sollen hunderttausende Jahre halten. Damit kann nur ein Informationsträger konkurrieren, und von ihm ist gesichert, dass er so lang halten kann: DNA – das älteste sequenzierte Genom stammt von einem Pferd, das vor 700.000 Jahren lebte. Noch mehr verspricht Robert Grass (ETH Zürich), er experimentiert mit synthetischer DNA und hat seine letzten Befunde auf der Jahrestagung der American Chemical Society vorgetragen (Eurekalert 17.8.): Während beim elektronischen Speichern ein Text in 0 und 1 übersetzt wird, hat man beim biologischen die vier Bausteine A, C, T, G. In diese hat hat Grass ein Mathematiklehrbuch aus dem 10. Jahrhundert übersetzt, und auch den Schweizer Bundesbrief von 1261 („In Gottes Namen. Amen. Das öffentliche Ansehen und Wohl erfordert, dass Friedensordnungen dauernde Geltung gegeben werde.“)

Die Texte sind eher kurz – zusammen 83 Kilobytes –, theoretisch haben 300.000 Terabytes in einem Tröpfchen DNA Platz. Die müssen dann nur noch halten: Freie DNA ist fragil, die 700.000 Jahre bei dem Pferd kommen daher, dass die DNA in Knochen eingebettet war. Das hat Grass imitiert: Er hat seine DNA mit Siliziumdioxid (Glas) ummantelt. Dann hat er das Ganze erhitzt, auf sechzig, siebzig Grad über Wochen, so wurde der Alterungsprozess simuliert: Grass schätzt, dass die Information eine Million Jahre hält, wenn sie bei minus 18 Grad gelagert wird.

Dann muss man sie noch abrufen können: Bisher kann man nur die gesamte Fuhre sequenzieren, nicht etwa nach einzelnen Kapiteln oder Seiten suchen, Grass arbeitet an entsprechenden Markern. Dann muss man es noch bezahlen können, es ist extrem teuer. Und dann muss es noch jemand entziffern können, in einer Million Jahren. Aber auch das Wissen ist immer rascher vergänglich: Die Nasa konnte schon Mars-Daten aus den 70er-Jahren nicht mehr erschließen, weil keiner von den Programmierern mehr lebte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.