Universalschutz vor Grippe ist in Sicht, aber in noch ferner

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THEMENBILD: ´SCHWEINEGRIPPE´ / LABOR(c) APA (GEORG HOCHMUTH)
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Im Labor bewährt: ein Impfstoff und ein Ansatz zur Stärkung der Abwehr.

In ein paar Wochen krempeln wieder Millionen Menschen auf der Nordhalbkugel die Ärmel hoch und lassen sich impfen, gegen Grippe. Das ist immer auch ein Glücksspiel: Grippeviren wandeln sich häufig, vor allem zwei ihrer Hüllproteine tun es, das Hämagglutinin (H) und die Neuraminidase (N). Nach ihnen werden die Virentypen benannt, sie kommen jedes Jahr in einer anderen Kombination, H2N5 etwa war die gefürchtete Vogelgrippe. Das Glücksspiel liegt darin, dass im Frühjahr prognostiziert werden muss, was im Herbst kommt – der Impfstoff muss produziert werden, dazu behalten Spezialisten der Weltgesundheitsorganisation WHO im Frühjahr das Geschehen auf der Südhalbkugel im Auge, dort ist dann unterwegs, was im Herbst zu uns kommt.

Meist wird gut prognostiziert, aber im vergangenen Jahr ging es daneben, es wurde der falsche Impfstoff produziert, er wirkte wenig. Um das ganze Procedere zu vereinfachen, sucht man schon lange nach einem Impfstoff, der gegen sämtliche H-/N-Kombinationen wirkt. Der Wettlauf ist hart, der zwischen Forschern und der zwischen Journalen, jetzt haben zwei Gruppen den „proof of principle“ geschafft: Beide setzten am Hämagglutinin an, einem Protein mit einem Kopf und einem Stamm. Der Kopf ändert sich oft, er bringt die verschiedenen Typen, der Stamm bleibt gleich, man müsste also einen Impfstoff gegen ihn finden. Das ist deshalb schwierig, weil der Stamm auseinanderfällt, wenn man den Kopf entfernt.

Wirksamkeit: Noch beschränkt

Nun ist es sowohl Barney Graham (NIH) wie Katarina Radoševic (Leiden) gelungen, den Stamm zu stabilisieren, beide zeigten es am 24. vor, er in „Nature“, sie in „Science“: Getestet wurde mit Viren(-dosen), die Kontrolltiere zu Tode brachten: Geimpfte Mäuse hatten 100 Prozent Schutz. Weniger gut sah es bei Frettchen aus – sie sind das Tiermodell für Grippe –, 30 Prozent starben. Bis zu einem Universalimpfstoff wird es noch Jahre dauern.

Das gilt auch für einen ganz anderen und grundlegenderen Ansatz, den Jacob S.Stout (Ohio State University) verfolgt („PloS Pathogens“ 11.8.): Er setzt nicht bei den Viren an, sondern beim Immunsystem. In dem sorgt bei Virenbefall Interferon dafür, dass vermehrt ein Protein produziert wird, das die Viren unschädlich macht, IFITM3. Zugleich blockiert Interferon ein zweites Protein, NEDD4, das IFITM3 abbaut. Dieses Protein hat Stout in menschlichen Zellen und ganzen Mäusen experimentell blockiert, auch hier gelang der „proof of principle“, auch hier ist ein mögliches Medikament weit entfernt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2015)

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