Archivierung: Computer liest Kurrentschrift

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Die Software Transkribus entschlüsselt historische Handschriften. Die Uni Innsbruck macht die Technologie öffentlich.

Ein Geschichtestudium und das Nachspüren der eigenen Familienvergangenheit scheitern oft am selben: dem Lesen der Kurrentschrift. Wer sich schwertut, die Briefe des Großvaters oder Pfarr- und Gemeindechroniken zu entziffern, kann künftig auf die Computer-Software Transkribus zurückgreifen. Forscher arbeiteten seit Jahren weltweit an einer technischen Umsetzung. Die Grundlagenforschung zur Handschriftenerkennung ist weit fortgeschritten. Nun geht es an die praktische Umsetzung.

Die Universität Innsbruck arbeitet federführend am Aufbau einer Serviceplattform, die Wissenschaftlern, Archiven und der breiten, interessierten Öffentlichkeit die Technik zur Verfügung stellt. „Da die Forschung aus öffentlichen Geldern bezahlt wird, soll auch jeder darauf zugreifen können“, sagt Projektkoordinator Günther Mühlberger.

Das von der EU und 13 Partnern mit insgesamt 8,2 Millionen Euro geförderte Programm soll durch den Onlinezugang noch verbessert werden. Mit den bisher verwendeten Algorithmen können zwar schon 70 bis 80 Prozent eines Dokumentes automatisch entschlüsselt werden, aber diese müssen noch optimiert werden. Die komplexen Layouts historischer Dokumente, unterschiedliche Handschriften – auch die Kurrentschrift änderte sich über die Jahrhunderte – und die verschiedenen Sprachen bereiten Transkribus noch Schwierigkeiten.

Das soll sich durch vermehrte Nutzung der Serviceplattform ändern: Je mehr die Oberfläche mit historischen Dokumenten gespeist wird, desto besser wird der Algorithmus. „Mehr Trainingsdaten verbessern die Leistung. Daher brauchen wir tausende Beispiele von Archivaren und Privatpersonen“, sagt Mühlberger.

Die Demokratisierung der Archive

In den nächsten Jahren sollen Katasterbände, Kirchenbücher, Briefe, unterschiedlichste Personenlisten (Immigranten, Passagiere etc.), Ratsprotokolle und viele andere historische Dokumente computerlesbar gemacht werden. Die Forscher werden auch eine App für Smartphones anbieten, mit der die Handschriften direkt eingescannt werden können.

„Das führt zu einer Demokratisierung von Archiven und zur Revolution für Historiker“, sagt Mühlberger. Denn Forschern wird es künftig möglich sein, weltweit und rasch Handschriften im Volltext zu suchen – vorausgesetzt, das Material ist von den Archiven oder Privatpersonen freigegeben. Der Benutzer muss zuvor beim Besitzer des Dokumentes um den Zugriff anfragen. (por)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2015)

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