Wieder auf dem Damm sein

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Viele Hochwasserschutzdämme sind über 100 Jahre alt. Nun entwickeln Forscher eine beschädigungsfreie Methode, um den baulichen Zustand von Dämmen genau zu ermitteln.

Hochwasserereignisse und Extremniederschläge mehren sich. So sind Hochwasser wie das von 2002 weniger als Vorbote des Klimawandels zu sehen, vielmehr zukünftig wohl als eines von vielen Ereignissen dieser Art zu betrachten. Österreich investiert daher zurzeit intensiv in den Hochwasserschutz, um Bauwerke wie Hochwasserschutzdämme instand zu halten.

Das ist auch dringend notwendig: Viele Hochwasserschutzdämme sind bereits über 100 Jahre alt, wie der von Kaiser Franz Joseph I. eröffnete Marchfeldschutzdamm, das größte Dammbauwerk Österreichs. „In vielen Bereichen besteht dieser Damm noch in seiner ursprünglichen Form“, weiß Philip Leopold vom Health & Environment Department des Austrian Institute of Technology (AIT) in Wien. Was die Frage aufwirft, ob diese Bauwerke den heutigen Klimabedingungen auf Dauer überhaupt gewachsen sind.

Erkundungen bisher teuer

Bei einem Hochwasserereignis muss der Damm einem sehr hohen hydraulischen Druck standhalten. Auch das Innere des Baus ist mit Wasser gesättigt, das sich außerdem sehr schnell bewegt. So verlagert sich auch das Schüttmaterial. Das bedeutet, die Feinteile innerhalb eines Damms werden ausgeschwemmt. Diese sogenannte Suffusion ist mit freiem Auge nicht erkennbar und kann schlimme Folgen nach sich ziehen.

Wollte man bisher bauliche Beeinträchtigungen kontrollieren, wurden dazu alle paar hundert Meter Erkundungsbohrungen durchgeführt. „Wenn man bedenkt, dass jede Bohrung einige tausend Euro kostet, ist die Erkundung der oft über 100 Kilometer langen Dämme eine äußerst teure Angelegenheit“, erklärt Leopold. Daher haben sich die Forscher des AIT nach einer kostengünstigeren und zeitsparenderen Methode umgesehen – und die schon für andere Anwendungen genutzte Methode des Georadars entdeckt.

Diese nicht invasive Methode der Geophysik wird bei Erkundungen der Rohstoffexploration, im Tunnel- und Straßenbau oder in der Archäologie eingesetzt und hilft, unsichtbare Strukturen zu erkennen (siehe auch Seite 31).
Leopold erklärt den Messvorgang: „Hochfrequente elektromagnetische Wellen von einer Stärke zwischen 100 bis 500 Megahertz, die von der Dammkrone oder der Oberfläche in den Untergrund abgestrahlt werden, breiten sich dort aus. Je nach Bodenbefindlichkeit und -zusammensetzung werden die Wellen gestreut oder gebeugt.“ Ein Datenlogger sammelt die Daten, die von den Forschern mithilfe einer für diese Zwecke entwickelten Software später ausgewertet werden.

Die Wissenschaftler bekommen so ein genaues Querschnittsbild der horizontalen und vertikalen Dammachse, auf dem die baulichen Strukturen innerhalb des Bauwerks in einer Tiefe von bis zu acht Metern erkennbar werden. Zudem ist ein GPS in das System integriert, das die exakte Position der Messung aufzeichnet und so gezielte Bohrungen zulässt.

Biber „untergraben“ Stabilität

Im Auftrag der Donauhochwasserschutz-Konkurrenz (DHK) überprüften Leopold und sein Team 2004 erstmals mit dieser Methode den baulichen Zustand des Marchfeldschutzdammes. „Aufgrund gezielter Erkundungsbohrungen konnten wir Kosten wesentlich reduzieren. Da es sich bei den meisten in Europa gebauten Dämmen um erdgeschüttete Konstruktionen handelt, eignen sich Georadarmessungen, um die Dammaufstandsfläche, also den Untergrund von Dämmen, genauer zu untersuchen, deren Stabilität nicht selten von Bibern ,untergraben‘ wird“, schmunzelt Leopold.

Um eventuelle Schäden und Schwachstellen frühzeitig zu erkennen, ist es unerlässlich, den Zustand des Bauwerks mehrmals jährlich zu überprüfen. Bisher erfolgte eine visuelle Überprüfung einer fachkundigen Person. „Natürlich sind diese Begehungen eine nicht immer zu 100 Prozent verlässliche Basis für die Sicherheit eines Schutzdammes“, weist Leopold hin.

Gemeinsam mit der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) und der MA 45 (Wiener Gewässer) wurde eine periodische Kontrolle von Dämmen entwickelt. „Wir fahren mit dem Georadar jährlich den gesamten Damm ab und vergleichen das aktuelle mit dem vorjährigen Schnittbild. Das Georadar erkennt Korn- und Lagerungsgröße, Verdichtung oder Feuchtigkeit – alles wichtige Informationen, die Aufschluss über den Zustand des Baus liefern“, so Leopold. Die Methode ist zudem sehr schnell: Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 20 Kilometern pro Stunde kann ein 100 Kilometer langer Damm in nur wenigen Stunden überprüft werden.

Obwohl die neue Methode viele Vorteile bietet, bedarf es seitens der Betreiber an Mut, sich zu dieser Innovation zu bekennen. Leopold: „Es muss von traditionellen Ansätzen mehr in Richtung eines aktiven Sicherheitsdenkens bei den Verantwortlichen gehen, um Menschen und Sachwerte verstärkt zu schützen. Ob sich unsere Aufklärungsarbeit international bezahlt machen wird, werden wir erst in nächster Zeit sehen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2015)

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