Eine Kamera für ionisierte Leuchtspuren über Wien

METEORKAMERA AUF DEM DACH DES NATURHISTORISCHEN MUSEUMS
METEORKAMERA AUF DEM DACH DES NATURHISTORISCHEN MUSEUMS(c) APA/NHM WIEN/HISCHAM MOMEN (HISCHAM MOMEN)
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Meteorenforschung. Auf dem Dach des Naturhistorischen Museums ging ein Spezialgerät in Betrieb. Ziel ist die Entdeckung von extraterrestrischem Material in Österreich – doch dafür sind mehrere Kameras erforderlich.

„Die Meteore sind die einzigen Zeitzeugen zur Entstehung der Erde, zur Entstehung unseres Sonnensystems.“ Christian Köberl, Generaldirektor des Naturhistorischen Museums Wien (NHM), ist selbst Meteorenforscher. Und er verweist im selben Atemzug auf den US-Geochemiker Clair Patterson (1922–1995), der Anfang der 1950er-Jahre über eine Uran-Blei-Isotopenmessung an dem Canyon-Diablo-Meteoriten in Arizona, USA, das Alter der Erde bestimmte: 4,5 Milliarden Jahre.

Auf dem Dach des NHM ist diese Woche eine Spezialkamera in Betrieb gegangen. Das 20 Zentimeter hohe Gerät zeichnet die Laufbahn der von der Linse erfassten Meteore auf. Dabei handelt es sich um die beim Eintritt in die Erdatmosphäre entstehende erhitzte ionisierte Leuchtspur, sichtbar wie eine Sternschnuppe oder ein Feuerball. Der Meteor selbst ist in einer Höhe von 60 bis 130 Kilometer mit 20 bis 30 Kilometer pro Sekunde unterwegs. Das NHM betritt damit Neuland in der österreichischen Meteorenforschung. Nach Schätzungen fallen etwa zwei Meteore pro Jahr auf österreichisches Staatsgebiet. In den vergangenen 250 Jahren wurden allerdings nur vier beobachtet und weitere drei zufällig aufgefunden.

In Frankreich wird eben im Rahmen des Forschungsprojekts Fripon (Fireball Recovery and Interplanetary Observation Network) ein über den gesamten Staat verteiltes System mit 100 Kameras installiert. Damit gelingt eine komplette Dokumentation für das französische Gebiet. Das NHM hat sich an das Projekt angeschlossen, die Wiener Dachinstallation ist über Internet mit Frankreich verbunden, wo die Auswertung automatisch erfolgt. Allerdings: Diese eine Kamera kann zwar den Meteorenfall auf einem Gebiet im Umkreis von bis zu 200 Kilometern erfassen, aber es kann keine Aussage über den Aufprallort getroffen werden. Dazu sind drei Kameras erforderlich, die von ihren Standorten die benötigten geometrischen Daten liefern.

Von Mars und Asteriodengürtel

Ist die Verlaufsbahn eines Meteoriten dokumentiert, kann sowohl das Herkunftsgebiet bestimmt werden – aus dem Asteroidengürtel und vom Mars – als auch einigermaßen die Aufschlagstelle auf der Erde. Diese könne in Form einer Ellipse mit einer Länge von einem Kilometer angegeben werden. Das Gebiet würden dann NHM-Mitarbeiter absuchen. Ein frischer Meteorit ist noch nicht mit Erdmaterialien kontaminiert und daher besonders wertvoll für die Forschung.

Bei der ersten Kamera handelt es sich um ein Pilotprojekt. Für das gesamte Staatsgebiet wären ein Dutzend Kameras erforderlich. Da eine Kamera (nur) 1500 bis 2000 Euro kostet, sieht Köberl hier kein finanzielles Problem.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2015)

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