Nanopartikel im Immunsystem

Niesender Junge vor bluehenden Straeuchern
Niesender Junge vor bluehenden Straeuchern(c) BilderBox (BilderBox.com / Erwin Wodicka)
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Medizin. An der Uni Salzburg untersuchen Forscher Nanomaterialien. Ein neuer Schnelltest soll zeigen, ob die winzigen Teilchen für das Immunsystem gefährlich sind.

In Sonnenschutzmittel, Sportbekleidung, Medikamenten, Lacken, Autoreifen, Beschichtungen: Kaum ein Lebensbereich, in dem heute Nanotechnologie keine Rolle spielt. Nanopartikel gelten als wahre Alleskönner. Doch was macht eigentlich das Immunsystem mit den winzigen Teilchen? Sind sie harmlos für den menschlichen Körper, oder geht von ihnen eine Gefahr für die Gesundheit und die Umwelt aus, weil die winzigen Teilchen andere Eigenschaften haben als ihre Verwandten in Normalgröße? An der Universität Salzburg versucht ein Forscherteam rund um den Biochemiker Albert Duschl diese Fragen zu beantworten. Biologen, Immunologen und Materialforscher haben ein Kompetenzzentrum für Nanosicherheit aufgebaut.

Die Euphorie rund um die Nanotechnologie ist groß. Gleichzeitig wächst aber auch die Skepsis gegenüber diesen winzigen Verbindungen, die über Haut und Atemwege tief in den Körper eindringen. Im Rahmen mehrerer EU-Projekte befassen sich die Salzburger Forscher mit den Auswirkungen von Nanopartikeln auf die menschliche Zelle. „Uns interessiert, was Nanopartikel mit dem Immunsystem machen“, erläutert Duschl.

Bei der Einschätzung von möglichen Gefahren, die von neu entwickelten Nanomaterialien für die Gesundheit ausgehen können, bedienen sich die Salzburger Forscher des Immunsystems. „Alles, was die Zelle irritiert, löst ein Notprogramm aus. Wir messen die Hauptschalter zu diesem Programm und können sagen, ob ein Material dieses Programm auslöst oder nicht.“

Beobachten, wie Zellkulturen reagieren

Die Salzburger bringen Zellkulturen in Kontakt mit Nanopartikeln und beobachten die damit verbundene Immunreaktion. Dabei gibt es drei Arten von möglichen Antworten. Die Zelle reagiert in Form von Stress und schaltet in ein Notprogramm, das ihr ermöglicht, mit den fremden Partikeln umzugehen. Die Konfrontation mit Nanopartikeln kann aber auch zu einer Abwehrreaktion führen: Es entsteht eine Entzündung, der Körper fühlt sich bedroht. Das bedeutet zwar eine gewisse Toxizität, führt aber noch nicht zum Tod der Zelle. Anders bei der dritten möglichen Reaktion: Dabei begeht die Zelle Selbstmord. Sie zerschneidet ihre eigene DNA in Stücke, verpackt sich selbst und zerfällt in winzige Portionen, die von Fresszellen abgebaut werden. „Wenn man so eine Reaktion findet, bedeutet das akute Toxizität eines Materials“, erläutert Duschl.

Die Forscher haben diese drei Möglichkeiten einer Immunantwort des Zellgewebes in einen Schnelltest gepackt. „Wir möchten möglichst rasch wissen, ob ein neues Material zu einer Immunantwort führt, bei der wir uns Sorgen machen müssen“, sagt der Forscher. Der Test sei billig, gehe schnell und liefere ein Ergebnis, das sich quantifizieren lasse. Binnen kurzer Zeit können die Salzburger feststellen, ob von einem neuen Material gesundheitliche Risken ausgehen oder nicht. Duschl und sein Team arbeiten derzeit an einer mobilen Einheit, damit man die Tests nicht nur in der Laborumgebung an der Universität durchführen kann.

Dass Nanopartikel als gesundheitsgefährlich in Verruf gekommen sind, hat einen Grund, der mit den Materialien selbst möglicherweise wenig zu tun hat. In vielen Forschungsarbeiten sei Nanotoxizität gefunden worden. Diese stamme aber nicht von den Partikeln selbst, sondern von Chemikalien oder Lösungsmitteln, die über den Herstellungsprozess eingetragen wurden, oder auch von Verunreinigungen mit Bakterienrückständen, erläuterte Duschl. Dadurch seien viele frühere Forschungsarbeiten nicht ausreichend aussagekräftig, was derzeit zu einer heftigen Debatte in der wissenschaftlichen Gemeinschaft führt.

Wenn es um die gesundheitlichen Gefahren von Nanopartikeln gehe, müsse man vor allem bei zwei Bereichen ansetzen, ist er überzeugt: Im Fall von Unfällen bestehe die Gefahr, dass große Mengen der Partikel in die Luft oder ins Grundwasser gelangen. Deshalb müsse man Einsatzkräfte entsprechend sensibilisieren und schulen. Der zweite Bereich wären medizinische Anwendungen. Nanopartikel in Kontrastmitteln würden eine genauere Diagnose erlauben. Auch bei der Behandlung von Krebs werden zunehmend Nanopartikel genutzt, weil die Therapien besser wirken. Derzeit würde auch an Medikamenten zum Inhalieren gearbeitet, weil die winzigen Teilchen in die tiefen Lungenschichten eindringen. Bei Anwendungen in Diagnose oder Therapie arbeite man mit hohen Konzentrationen und müsse Risken ausschließen, was im Rahmen der Zulassung medizinischer Produkte erfolgt. „Bei den meisten anderen Anwendungen ist der Mensch keinen großen Konzentrationen ausgesetzt“, betont Duschl.

Die Salzburger Forscher wollen weiter an den „Hauptschaltern“ arbeiten und herausfinden, welche Mechanismen hinter den Immunreaktionen stecken. Das wäre der erste Schritt, um bessere Voraussagen treffen und Nanopartikel auf dem Reißbrett entsprechend entwickeln zu können. „Das wäre der Weg zu Sicherheit über das Design“, ist sich Duschl sicher.

LEXIKON

Die Nanotechnologie gilt als eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Sie nutzt verschiedene Methoden, um Materialien und Strukturen im allerkleinsten Größenbereich zu analysieren, zu erzeugen oder zu verändern. Diese Nanopartikel sind Millionstelmillimeter klein. Die Winzigkeit birgt aber auch Risken: Je kleiner die Teilchen sind, desto leichter gelangen sie über die Haut und über die Atemwege tief in den Körper von Mensch und Tier und können dort Auswirkungen auf das Immunsystem haben. Fragen der Nanosicherheit gewinnen deshalb stark an Bedeutung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2015)

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