Lug und Trug im Labor

Ein Drittel der Forscher bekennt unsaubere Praktiken.

Der weiße Kittel, der in Labors übergestreift wird, hat vor allem symbolische Bedeutung: Er signalisiert, dass es um nichts als objektive Wahrheit geht und dass alle subjektiven Befindlichkeiten – Ruhmsucht etc. – verbannt werden. Aber zum einen sind Wissenschaftler auch Menschen, und zum anderen herrscht im Wissenschaftssystem härteste Konkurrenz: „Publish or perish“, veröffentliche oder verrecke, dieses Gesetz aller Gesetze lernt jeder im ersten Semester.

So kommt es zu Lug und Trug, etwa beim Stammzellforscher Hwang, der die ganze Welt und vor allem die eigene Zunft mit gefälschten Fotos täuschte. (Der Fall zeigt ein Nebenproblem: Die Zunft ließ sich gerne täuschen, weil sie dringend einen Erfolg brauchte.) Ist er ein schwarzes Schaf oder die Spitze eines Eisbergs? Es ist schwer zu messen: Vor allem in den USA versuchen Behörden, Betrug in der Forschung auf die Spur zu kommen: Die Zahlen schwanken stark – zwischen 0,02 Prozent und zwei Prozent aller Publikationen sind demnach gefälscht –, die Dunkelziffer ist hoch.

Fälschen, Schönen, Unterdrücken

Deshalb versucht es ein zweiter Ansatz mit der Befragung von Forschern. Anonymität ist zugesichert, aber die Fragebogen sind oft so unterschiedlich, dass sich kein Gesamtbild destillieren lässt. Nun hat Daniele Fanelli (Edinburgh) 21 Befragungen in einer Metaanalyse auf ihren gemeinsamen Gehalt ausgewertet, es ging nur um wirklichen Betrug – gefälschte Daten, geschönte Daten, unterdrückte missliebige Daten –, das große Feld von Plagiat und Selbstplagiat blieb ausgeschlossen, weil dadurch keine Fälschung in die Welt kommt.

Demnach hängt alles zunächst an den Fragen: Sind sie hart – Haben Sie schon einmal Daten gefälscht? –, bekennen sich zwei Prozent dazu. Sind sie weich – Haben Sie schon einmal Daten modifiziert? Haben Sie schon einmal die Ergebnisse verbessert? –, steigt die Zahl der Bekenner auf 33,7 Prozent. Und beide Werte steigen, wenn nicht nach eigenen Taten gefragt wird, sondern danach, ob jemand etwas über Kollegen im Labor weiß: Dann berichten 14 Prozent von Fälschungen, 72 von unsauberen Praktiken.

Sind es zwei Prozent oder 72? „Die zwei Prozent sind eine konservative Schätzung“, urteilt Fanelli – Betrüger in der Forschung dürften auch bei Befragungen eher lügen –, er konzediert aber auch, das es beim Schönen von Daten oder dem Ändern eines Experimentdesigns nicht (gleich) um Betrug gehen muss. Wie auch immer, Fanelli hat noch eine Beunruhigung: Die meisten eingestandene Fälschungen werden dort begangen, wo sie für andere gefährlich sind – in der Medizin. (PLoS one, 28.5.) jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2009)

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