Schimmelpilzgifte demaskieren

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THEMENBILD: ERNTE / WEIZEN / GETREIDEAPA/HELMUT FOHRINGER
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Rund ein Viertel der Nutzpflanzen weltweit sind von Schimmelpilzgiften befallen. Forscher untersuchen, welche für den Menschen gefährlich sind und wie man sie bekämpft.

Es gibt 300 bis 400 chemische Verbindungen, die unter dem wissenschaftlichen Begriff Mykotoxine zusammengefasst werden. Das sind giftige Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen, die sich auf Pflanzen ausbreiten und zumeist noch unentdeckt sind. Das 2011 am Analytikzentrum des interuniversitären Departments für Agrarbiotechnologie (IFA) in Tulln gegründete Christian-Doppler-(CD)-Labor für Mykotoxin-Metabolismus sucht, unter der Leitung von Franz Berthiller, nach diesen Schimmelpilzgiften. Der Standort ist nicht zufällig gewählt: Er gehört zu einem von vier niederösterreichischen Technologiezentren: dem Technopol Tulln.

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen schätzt, dass ein Viertel aller Nutzpflanzen weltweit von Schimmelpilz befallen sind. Abhängig von der klimatischen Region und Umwelteinflüssen, wie etwa zu viel Regen, breiten sich Mykotoxine auf allen Pflanzen aus: egal, ob auf Nüssen, Früchten oder Getreide- und Maissorten – das Schimmelgift der Pilze landet in der Nahrung, weil der Schimmelbefall nicht immer erkannt wird.

Das Tullner CD-Labor liefert die wissenschaftliche Grundlage für ihren Wirtschaftspartner Biomin. Die Firma konnte durch die Analysedaten einen Futtermittelzusatz entwickeln, der das im Getreide vorkommende Toxin Fumonisin im Verdauungstrakt von Tieren wieder abbaut: Dafür wurde das Unternehmen heuer vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auch für den Staatspreis Innovation nominiert.

Pflanze wehrt sich gegen Befall

Für Berthiller ein Grund mehr, um weitere Schimmelpilzgifte zu finden: „Wenn wir weitere Mykotoxine entdecken, können noch mehr Zusatzstoffe entwickelt werden, die nicht nur den Tieren, sondern im Endeffekt auch den Menschen weiterhelfen“, sagt er.

Das ist nicht leicht, denn zwischen dem Schimmelpilz und der Nahrung befindet sich ein lebender Organismus, nämlich die Pflanze: Diese versucht sich gegen den Pilz-Befall zu wehren, indem sie beim Stoffwechsel – also bei der chemischen Umwandlung von Stoffen in einem Organismus – darauf reagiert. Kurz: Nicht nur die Anzahl an chemischen Verbindungen, sondern auch der Versuch der Pflanze die Mykotoxine zu verbergen, machen ihr Auffinden zu „einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen“. Die Gifte werden daher als „maskierte Mykotoxine“ bezeichnet. „Unsere zentrale Forschungsaufgabe ist es, sie zu finden und dann zu demaskieren“, sagt Berthiller.

Die Wissenschaftler nutzen dazu diverse Methoden: Unter anderem messen sie organische Moleküle mit dem Massenspektrometer. Dabei ergibt sich folgendes Problem: Die Schimmelpilzgifte in der Pflanze befinden sich mitunter im Mikrogramm pro Kilogramm-Bereich oder sogar darunter. Extrahiert Berthiller etwa ein Weizenkorn, zeigt ihm das Massenspektrometer weit mehr Information als nötig. Dann gilt es, die Mykotoxin-Moleküle herauszufiltern.

Um festzustellen, ob die Giftmenge tatsächlich „toxisch relevant“ – also Auswirkungen auf Menschen haben – untersucht Berthillers Team Urin und Kot von Tieren, denen sie zuvor Mykotoxine verabreichten. „Tierversuche sind natürlich immer mit Bauchweh behaftet, aber die Substanzmengen, die wir den Ratten und Schweinen verabreichen sind unter der gesetzlich erlaubten Höchstmenge und haben für die Tiere überhaupt keine Auswirkungen“, sagt Berthiller. Da sich in manchen Pflanzen zehn bis fünfzehn verschiedene Gifte befinden, aber nicht alle unbedingt schädlich sind, können die Forscher mit Tiermodellen „hochrechnen“, ob für Menschen eine Gefahr besteht.

Es brauche jedenfalls Methoden, um Schimmelpilzen auf die Spur zu kommen. Denn eines sei klar: „Dass Mykotoxine auftreten, ist unvermeidbar“, sagt Berthiller. So hat starker Regen im September und Oktober des Vorjahres etwa dazu beigetragen, dass Fusarien-Schimmelpilze den Mais in Österreich während der Erntezeit im Herbst befielen. Davor trat das dabei gebildete Gift zehn Jahre lang nur in geringer Konzentration auf.

Resistente Sorten anbauen

Die beste Entgiftungsstrategie für den Ackerbau ist eine ausreichende Prävention. Bauern sollten künftig resistente Getreidesorten anbauen: „Es gibt Pflanzen, die Mykotoxine selbst besonders gut entgiften. Daher sollten wir künftig resistente und ertragreiche Weizensorten kreuzen“, sagt Berthiller.

Die Bauern selbst können zumeist keine Schäden an den Pflanzen feststellen. Füttern sie die Tiere etwa mit befallenem Mais, reagieren diese je nach Schimmelpilz: Die Symptome reichen von Husten, Erbrechen bis hin zu Veränderungen der Geschlechtsorgane. Anbieter wie der Unternehmenspartner Biomin können den Bauern bisher nur bei erforschten Schimmelpilzgiften Binder oder Futterzusätze liefern.

„Der Schimmelpilz will nicht die Nahrung vergiften, sondern einfach nur wachsen. Unser Problem ist, dass wir die Pflanzen aber essen oder verfüttern“, sagt Berthiller.

LEXIKON

Mykotoxine sind Schimmelpilzgifte, diePflanzen befallen können. In Österreich treten die Fusarienpilzgifte am häufigsten auf. Diese hängen sich parasitär an den Wurzel- und Stängelbereich von Mais oder Getreidesorten. Sie sondern Giftstoffe an die Pflanze ab, die ein Wachstum verhindern und das Immunsystem der Pflanze reduzieren: So kann sich der Pilz besser ausbreiten. Manche Pflanzen können sich schützen, indem sie beim Stoffwechsel Glukose zur Entgiftung abgeben. Damit verschwinden die Gifte nicht ganz: Sie können im Verdauungstrakt von Mensch und Tier wieder freigesetzt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2015)

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