Prototypen für die Kunststoffe der Zukunft

Elektrotechnik. Leobener Forscher entwickeln gemeinsam mit Industriepartnern Verbundwerkstoffe weiter, an die besonders hohe Anforderungen gestellt werden: in Großgeräten, aber auch in der Mikroelektronik.

Wenn in Generatoren Strom erzeugt wird, geht es richtig heiß her. Temperaturen bis 155 Grad Celsius sind keine Seltenheit. Sie entstehen durch die elektrischen Felder. Dazu kommen mechanische Vibrationen im Betrieb. Das strapaziert die Isolationen enorm. Der Kunststoff kann dort unter den Belastungen degradieren, bis nur mehr das anorganische Stützgerüst bleibt. „Das Isolationsmaterial aus Kunststoff macht zwar nur einen sehr kleinen Anteil an der gesamten Anlage aus, ist aber ganz entscheidend für dessen Lebensdauer“, sagt Sandra Schlögl vom Polymer Competence Center Leoben (PCCL).

Dort wollen die Forscher im vom Technologie- und Wissenschaftsministerium geförderten Projekt PolyComp unter anderem Werkstoffe für Isolationen großer Generatoren weiter verbessern. PolyComp steht für Advanced Polymer Composites. Es geht also um Verbundstoffe, bei denen Kunststoffe mit anderen Materialien kombiniert werden. Glasfasern oder blättchenförmiger Glimmer sorgen etwa für zusätzliche Festigkeit, wenn starke Kräfte wirken.

Eng verzahnt mit Unternehmen

„Unser Ziel ist, dass die Materialien bis 180 Grad Celsius beständig sind. Das macht für die Praxis einen großen Unterschied“, so Schlögl. Getestet wird auch in Labors beteiligter Universitäten wie der Montan-Uni oder der TU Graz und bei Partnerunternehmen. Beteiligt sind etwa Andritz Hydro, Isovolta oder AT&S. „Wir haben von Anfang an eng verzahnt mit den Firmen agiert. Von diesen kommen die Anforderungen, und ihnen wollen wir als Ergebnis auch das passende Rüstzeug für marktfähige Produkte mitgeben.“

PolyComp startete mit Jänner 2013, schon nach einem Jahr gab es erste Prototypen: mehrere Meter lange, aber nur wenige Zentimeter dicke Isolationsstäbe. Im Labor werden sie zunächst weit höher beansprucht als später im eigentlichen Betrieb: Höhere Temperaturen und eine stärkere Spannung sorgen dafür, dass das Material schneller altert und so bei der Abnutzung beobachtet werden kann. Weil einer allein nicht ausreicht, wirken in Generatoren mehrere hundert Stück solcher Stäbe zusammen. Damit die Wärme von den Isolationsstäben besser abgeführt wird, wurde außerdem ein weiterer Prototyp entwickelt, der hilft, die beim Bauteil gesammelte Wärme abzuleiten.

Im Fokus des Projekts stehen aber nicht nur Großgeräte. Auch stark belastete Kunststoffe in Leiterplatten, wie sie sich in jedem Handy oder Laptop finden, werden weiter verbessert. „Es geht darum, die Lebensdauer von Mikroelektronik zu verlängern“, so Schlögl. Auch hier gibt es schon einen ersten Prototyp.

Intelligente Kleber entwickeln

Fortschritte in diesem Bereich können für die weitere Verschmelzung von Informations- und Produktionstechnologien entscheidend sein: „Industrie 4.0 eröffnet völlig neue Fertigungsmöglichkeiten, stellt aber zugleich ganz andere Anforderungen an die Materialien“, sagt Schlögl. Die Vision ist, dass intelligente Kleber Kunststoffe und Metalle verbinden: Deren Eigenschaften sollen sich gezielt von außen steuern lassen.

Auch wenn das – noch – Zukunftsmusik ist: Für ihre Forschung wurden die Leobener Forscher erst kürzlich mit einem Sonderpreis des Fast Forward Award, des Innovationspreises der steirischen Wirtschaftsförderung, ausgezeichnet. (gral)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2015)

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