Der Sepsis den Schrecken nehmen

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Medizin. Rund 30 Prozent aller Blutvergiftungen enden tödlich. Für schwere Fälle gibt es keine Therapie. Ein Christian-Doppler-Labor an der Donau-Uni Krems will Sepsis besser heilbar machen.

In Europa erkranken pro Jahr mehr als eine halbe Million Menschen an einer Blutvergiftung, einer sogenannten Sepsis. In Österreich zählt man rund 18.000 Sepsis-Patienten pro Jahr, die Hälfte davon mit einem schweren Verlauf. In den heimischen Intensivstationen ist eine Sepsis nach typischen Herzerkrankungen wie dem Herzinfarkt die häufigste Todesursache. Jährlich sterben 7500 Patienten allein in Österreich daran.

Es beginnt oft scheinbar harmlos: Am Beginn jeder Sepsis steht eine Infektion mit Bakterien, Pilzen, Viren oder Parasiten. Liegen etwa ein Harnwegsinfekt, eine eitrige Wunde oder eine Lungenentzündung vor, gelangen Bakterien in den Körper. Im optimalen Fall bekämpft daraufhin das körpereigene Abwehrsystem die Krankheitserreger, begrenzt die Infektion auf ihren Entstehungsort und heilt sie aus. Dabei werden die Blutgefäße um den Infektionsherd erweitert, durchlässiger und stärker durchblutet. Rötungen, Wärme, Schmerzen und Schwellungen sind sichtbare Zeichen einer lokalen Entzündungsreaktion.

Bei einer Sepsis verlassen die Krankheitserreger jedoch den Entzündungsherd und breiten sich im Körper aus: Die Entzündungsreaktion gerät außer Kontrolle. Immunzellen werden aktiviert und Botenstoffe ausgeschüttet. Die Immunantwort wird durch die Freisetzung einer Vielzahl von sekundären Botenstoffen weiter verstärkt. Das körpereigene Gewebe wird geschädigt. Dadurch wird eine Kettenreaktion in Gang gesetzt, die nur schwer zu stoppen ist.

Die Früherkennung und rechtzeitige Behandlung einer Sepsis gelten heute als Schlüssel zum Überleben. Eine leichte Sepsis kann meist mit Antibiotika erfolgreich behandelt werden. Die zunehmende Häufigkeit von antibiotikaresistenten Bakterien stellt in diesem Zusammenhang eine Herausforderung dar. Einer schweren Sepsis kann die Medizin derzeit außer einer bestmöglichen intensivmedizinischen Versorgung jedoch nur wenige Maßnahmen entgegensetzen.

„Dazu kommt, dass jeder Mensch – abhängig etwa vom Zustand seines Immunsystems, aber auch von genetischen Faktoren – auf eine Infektion unterschiedlich reagiert: DenSepsis-Patienten gibt es also nicht. Daher kann es auch nicht dieSepsis-Therapie geben“, so Viktoria Weber, Leiterin des Christian-Doppler-Labors für Innovative Therapieansätze in der Sepsis an der Donau-Universität Krems.

Frühe Diagnose als Um und Auf

Wesentlich ist, eine Blutvergiftung frühzeitig zu diagnostizieren, um jene Patienten zu identifizieren, die zu einem bestimmten Zeitpunkt von einer bestimmten Behandlung profitieren können. Die Entwicklung einfacher und rascher Diagnostiksysteme als Grundlage für eine zielgerichtete Therapie ist eines der Ziele des CD-Labors. Dazu ist das Labor auch an einem europäischen Horizon-2020-Projekt zur Sepsis-Diagnostik beteiligt.

„Weitere Fragestellungen, mit denen wir uns beschäftigen“, so Viktoria Weber, „sind, wie sich Endothelzellen, also die Zellen der Gefäßwand, während der Sepsis verändern und wie die Schädigung dieser Zellen den Krankheitsverlauf beeinflusst.“ In Zusammenarbeit mit Kollegen der Med-Uni Wien wurden Zellkulturmodelle entwickelt, mit denen untersucht werden kann, wie sich Immunzellen an das geschädigte Endothel anheften.

Anhand dieser Modelle können auch mögliche Effekte bestimmter Therapien ausgetestet werden. So kann untersucht werden, ob die Entfernung von Entzündungsbotenstoffen aus dem Blut verhindern kann, dass die Endothelzellen geschädigt werden. Man kann sich das ähnlich wie eine Blutwäsche, also eine Dialyse bei Nierenversagen, vorstellen.

LEXIKON

Blutvergiftung: Die Sepsis ist eine Entzündungsreaktion, verursacht durch das Eindringen von Krankheitserregern in die Blutbahn. Die primären Ursachen sind vielfältig und reichen von einem eitrigen Zahn bis zu Operationswunden. Die Sepsis ist nur das sekundäre Krankheitsbild, eine überschießende Abwehrreaktion des Körpers. Als Behandlung wird versucht, die Erreger zu bekämpfen, in schweren Fällen müssen die Patienten auf die Intensivstation.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2015)

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