Frauen im Spiel um die Macht

Maria Theresia
Maria Theresia(c) Die Presse FABRY Clemens
  • Drucken

Geschichte. Fürstinnen spielten schon vor Maria Theresia eine wichtige Rolle im Heiligen Römischen Reich. Ihre politische Macht war real und wurde im Zeremoniell festgeschrieben.

Game of Thrones“ ist eine von Drachen bevölkerte Fantasy-Reihe, deren Welt von kleinen Königreichen und Fürstentümern zerfurcht ist. Der Adel streitet trotz vieler Ehen untereinander, ständig. Herrscher – wie Herrscherinnen – spielen das Spiel um die Macht, das „Game of Thrones“, so der englische Titel der Reihe.

Das Heilige Römische Reich war ein reales Territorium Mitteleuropas. Es existierte vom Mittelalter bis 1806 und war von kleinen Königreichen und Fürstentümern zerfurcht. Der Adel stritt, trotz vieler Ehen untereinander, ständig. Herrscher – wie Herrscherinnen – spielten das Spiel um die Macht.

Wenn die Könige und adeligen Stände des Heilgen Römischen Reiches in bedeutenden Städten wie Nürnberg, Augsburg oder Regensburg Reichstage abhielten und Politik betrieben, dann „tauschten die Fürstinnen nicht nur Kochrezepte aus“, sagt Katrin Keller, Dozentin am Institut für Österreichische Geschichtsforschung. Im vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) geförderten Projekt Kaiserin und Reich wird Keller auf die Bedeutung von Fürstinnen im Reich eingehen: „Über die weibliche Macht und Politik bei den Reichstagen hat bislang noch niemand geforscht“, sagt sie.

Dabei spielten die Fürstinnen – gerade auch die Habsburgerinnen, die als Kaiserin die ranghöchsten Damen der Christenheit repräsentierten – eine gewichtige Rolle: Sie schufen Netzwerke, über die sie etwa die Verhandlungen von Eheschließungen und Bündnissen mitentschieden. Auch Kurfürsten, also jene Fürsten, die den Kaiser wählten, schickten ihre Frauen bei brisanten Angelegenheiten zum Teil zuerst zur Kaiserin. Sie trat dann als Mittlerin zum Kaiser auf.

Kaiserinnen veränderten auch das Geistes- und Kulturleben am Hof in Wien, so etwa Eleonora Gonzaga: Sie war eine Prinzessin von Mantua (Lombardei) und heiratete 1622 Kaiser Ferdinand II. Sie gestaltete die Oper sowie das Hofleben nach italienischen Vorbildern um. Zudem brachte sie das Ballett nach Wien. Ihre Nichte – ebenfalls Eleonora Gonzaga und Frau von Kaiser Ferdinand III. – prägte die barocke Musik des Kaiserhofes nachhaltig. Frauen in dieser Position besaßen eine kulturelle und politische Macht: „Mir geht es genau darum, deutlich zu machen, dass das Heilige Römische Reich schon vor Kaiserin Maria Theresia keine reine Männergeschichte war“, sagt Keller.

Die Rangordnung in der Zeremonie

Genau das zeigt auch das kaiserliche Zeremoniell, das peinlich genau dokumentiert wurde und daher eine Hauptquelle für die Forscherin ist. Wenn der Kaiser in eine Stadt reiste, wurde er prunkvoll empfangen – ebenso zog auch die Kaiserin öffentlich in die Stadt ein. Dabei war das Zeremoniell bei den Reichstagen nicht nur eine optische Inszenierung, es war eben zugleich ein reales Abbild der höfischen Rangordnung.

Die Stellung eines Einzelnen oder eines ganzen Adelshauses wurde damit nach außen dargestellt – und von den zeitgenössischen Medien kommuniziert. Es machte daher einen Unterschied, ob Graf X oder Y neben oder hinter dem Kaiser saß oder ging. Über die Darstellung wurde Ordnung geschaffen. Beschwerden und Handgreiflichkeiten begleiteten diese Feierlichkeiten daher: Die Kurfürsten von der Pfalz und Brandenburg stritten 1653 bei der Krönung von Ferdinand IV. etwa darum, wer die Krone tragen durfte. Einer riss dem anderen dabei mehrmals die Krone aus der Hand. Reichsfürsten und Reichsgrafen beschwerten sich beim selben Anlass darüber, dass ihre Töchter hinter der Oberhofmeisterin der Kaiserin gehen sollten, weil diese im Rang eigentlich niedriger war. Die Kaiserin entschied persönlich, dass diese an ihrer Seite verblieb, weil sie bei der Königssalbung ihr Gewand lösen musste: Frauen wie Männer spielten dieses Spiel rund um den Königsthron.

„Game of Thrones“ ist keine Wissenschaft. Es ist ein modernes Märchen – eine Sage der Gegenwart, die in der Vergangenheit spielt. Der Autor ließ sich ohne Zweifel von der Geschichte inspirieren: Ein Adelshaus heißt etwa Lannister, ein Anlehnung an das englische Adelshaus Lancaster. Parallelen zu historischen Phänomenen und Charakteren sind so zahlreich, dass es eigene Internetseiten dazu gibt (etwa: http://history-behind-game-of-thrones.com). Was „Game of Thrones“ – im Gegensatz zu manchen wissenschaftlichen Darstellungen – nie vergisst, sind die Frauen im Spiel um die Macht.

LEXIKON

Das Zeremoniell regelt die Pflichten und das Verhalten der Fürsten und Höflinge bei Diplomatenempfängen oder Krönungen. Die Stellung im Raum bildet die reale Rangordnung ab: Das Zeremoniell ist daher eine symbolische Kommunikation, die für Außenstehende sichtbar dargestellt wird. Bereits im Alten Orient war ein Hofzeremoniell entwickelt worden. Es wurde im römischen und im byzantinischen Reich sowie an der päpstlichen Kurie weiter ausgebildet und später von den Königshäusern Europas übernommen und überformt: wobei hier gerade das spanische und das französische Hofzeremoniell als Vorbild galten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.