Forschung mit Feuer und Dynamit

Dynamit
Dynamit(c) FABRY Clemens
  • Drucken

Militär. Soldaten im Tunnel – und wo bleibt die Sicherheit? Die Akademie der Wissenschaften nimmt Tunnelkatastrophen unter die Lupe. Verbesserungen sind nur auf lange Sicht möglich.

Insgesamt 39 Todesopfer bei der Brandkatastrophe im Montblanc-Tunnel 1999, kurz darauf zwölf Tote im Tauerntunnel, als die Feuersbrunst die Temperatur von 1200 Grad überstieg; dann die Katastrophe im Tunnel der Kapruner Seilbahn mit 155 Toten und ein Feuer im Gotthard-Straßentunnel mit elf tödlich Verunglückten: Diese Horrorszenarien, die sich innerhalb von drei Jahren in Österreich und der Schweiz ereigneten, hätten das Bundesheer und die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gleichermaßen alarmiert, sagt Herbert Mang, Professor an der TU Wien und ehemaliger ÖAW-Präsident. Denn das Bundesheer trägt die Verantwortung für 17- bis 19-jährige Jugendliche, in deren Ausbildung durchaus auch Tunneleinsätze fallen können.

Die ÖAW kann wiederum wissenschaftliche Expertise liefern, wie die Auswirkungen der Tunnelbrände minimiert oder zumindest verzögert werden können. Seit 1994 besteht in der ÖAW eine Kommission für die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Dienststellen des Verteidigungsministeriums. Ziel ist, militärische Fragen in Projekten der Grundlagenforschung zu behandeln. Das sei, so betonen die Partner, ein Mehrwert für beide Institutionen. Einige dieser Kooperationen wurden bei der ÖAW-Tagung „Wissenschaft und Militär“ in dieser Woche vorgestellt.

Militär nutzt Tunnel

Das Militär nutzt unterirdische Bauten – zur Lagerung, als Rückzugsort und nicht als Gefahrenort. Bei großer Feuerlast wurde neben Rauchgasvergiftungen das Abplatzen von Betonelementen in Hohlräumen als größte Gefährdung analysiert. Das Ziel müsse, so die Erkenntnis der ÖAW-Forschungsgruppe, die Steigerung der Tragsicherheit militärischer (und auch ziviler) Hohlraumbauten sein.

Durch die immensen Temperaturen bei einer Feuerbrunst bildet sich im Beton Dampf. Das erhöht den Druck im Material beträchtlich: Es bricht aus. Werden in Zukunft Kunststofffasern als Zusatzstoffe dem Beton beigemengt, wird damit der verfügbare Raum für Wasserdampf erhöht. Das Abplatzen kann nicht verhindert, aber verzögert werden. Dann könnten sich auch Menschen aus der Gefahrenzone unbeschadet entfernen. Derartige Einbauten für eine größere Sicherheit sind aber nur auf lange Sicht möglich.

In einem weiteren Forschungsprojekt wurde die Stoß- und Druckwellenausbreitung in Stollensystemen untersucht. Die ÖAW-Forscher – und nicht das Bundesheer – experimentierten mit Kleinsprengungen in Stollen und in einem weiteren Schritt mit Großsprengungen. Deren Auswirkungen wurden mit den Modellannahmen verglichen. Dabei orientiert sich die ÖAW an dem In-situ-Projekt, das die Montanuni am steirischen Erzberg errichtet hat. „Ziel ist das optimierte Zusammenwirken von Baumaßnahmen und Geologie“, sagt Herbert Mang. Wobei bei der Stollennutzung in erster Linie die Tragfähigkeit der Gebirgsstrukturen berücksichtigt werden muss. Nach den geologischen Strukturen werden bei Sprengungen die erforderlichen Sicherheitsabstände neu definiert.

Burn-out auch im Bundesheer

Die Themen, die im Bundesheer wissenschaftlich bearbeitet werden, „gehen quer durch den Gemüsegarten“, sagt Generalstabschef Othmar Commenda. Im Projekt zur Stressprävention sollen die Ausfälle bei den Grundwehrdienern und im Kader minimiert werden. Burn-out-Ausfälle sind im Heer ebenso ein Problem wie in der Zivilgesellschaft. Gemeinsam mit der Uni Wien und dem Austrian Institute of Technology (AIT) wird der Gesundheitszustand der Betroffenen erhoben, die Schlafgewohnheit analysiert und ein dreimonatiger Beobachtungszeitraum angeschlossen.

Ebenfalls im Gesundheitsbereich wird aktuell das Sandmückenprojekt bearbeitet. Die drei Millimeter großen Mücken leben in tropischen und subtropischen Klimazonen. Betroffen sind Soldaten im UN-Einsatz, circa zehn Prozent der dort Eingesetzten kehren infiziert zurück. Sandmücken sind Krankheitsüberträger, die unter anderem Blasen im Gesicht verursachen. Rechtzeitig erkannt, lassen sich diese schneller heilen.

Unter den technischen Forschungsanliegen will man jetzt die Informationssicherheit bei Navigationssystemen in Angriff nehmen. Dieser Bereich steht international im Fokus der meisten Militärs.

LEXIKON

Die Militärwissenschaften sind seit 2013 ein eigener Forschungszweig im Bereich der Sozialwissenschaften.

Kommissionen. In der ÖAW wurde 1994 die Kommission für die Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium geschaffen (Leitung TU-Professor Hans Sünkel), im Ministerium ein Forschungs- cluster, der neben der ÖAW auch mit AIT, Joanneum und der FH Hagenberg zusammenarbeitet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.