Quantenrechner werden größer

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Physik. Innsbrucker Forscher lösten das „Skalierungsproblem“ von Quantencomputern. So werden diese frei programmierbar, dadurch sind bisherige Leistungsgrenzen überwindbar.

Sie haben das Potenzial, die Welt zu revolutionieren: Quantencomputer könnten manche Probleme effizienter lösen als heute übliche Computer – in der Theorie. In der Praxis scheitern sie an mehreren Hürden. Die vielleicht wichtigste: Quanteneffekte vertragen sich nicht gut mit großen Objekten. In der makroskopischen Welt, die wir aus unserem Alltag kennen, sehen wir deshalb keine Quanteneffekte, sie sind einfach sehr schwach oder kurzlebig. Will man leistungsfähige Quantenrechner bauen, die aus vielen Quantenbits bestehen, wird es sehr schwierig, die dazu nötigen Quanteneffekte zu erhalten. Das Problem nennt sich Skalierbarkeit: Ist es möglich, ein Konzept, das auf kleinen Skalen funktioniert, einfach auf größere Skalen zu übertragen? Bei gewöhnlichen Transistoren ist das offenbar gelungen: Heutige Prozessoren enthalten Milliarden Transistoren, man fügte einfach immer neue hinzu. Bei Quantencomputern ist das mit hohem technischen Aufwand verbunden. Den Innsbrucker Quantenphysikern Wolfgang Lechner, Philipp Hauke und Peter Zoller scheint nun ein bedeutender Fortschritt gelungen zu sein.

„Es geht um einen bestimmten Typ von Quantencomputer, den adiabatischen Quantencomputer“, erklärt Lechner, Erstautor der Arbeit. „Dieser Typ kann ganz allgemein Optimierungsprobleme lösen, etwa das Finden des kürzesten Weges in einem großen Netzwerk von Orten.“ Der überwiegende Teil der heute auf modernen – nicht quantenphysikalischen – Supercomputern bearbeiteten Probleme sind solche Optimierungsprobleme, erklärt Lechner.

Pionierarbeit aus Österreich

Das Konzept ist weit entwickelt, hier wurde in Österreich, und vor allem in Innsbruck, viel Pionierarbeit geleistet. Großes Hindernis: die oben erwähnte Skalierbarkeit. Für einen funktionierenden Quantenrechner müssen alle Quantenbits, die in der Praxis etwa Ionen oder ultrakalte Atome sein können, miteinander wechselwirken. Wer sich eine Menge aus, sagen wir, zehn Menschen vorstellt, von denen jeder versucht, zugleich alle anderen zu berühren, bekommt eine Idee von dem Problem. „Die Wechselwirkung enthält quasi das Computerprogramm, in Analogie zum herkömmlichen Computer“, so Lechner.

Das Team der Quantenphysiker hat nun eine Möglichkeit gefunden, das Problem in ein anderes zu übersetzen. Die Forscher um Peter Zoller erhöhen die Anzahl an Quantenbits und betrachten, wie sie mit einem äußeren Feld wechselwirken. Zusätzlich gibt es lokale Wechselwirkungen, es müssen sich also, am Beispiel unserer Menschengruppe, nur noch benachbarte Menschen die Hände reichen. Außen können sich nun beliebig viele neue Menschen oder Quantenbits dazugesellen, das Problem ist skalierbar.

Dazu kommt, dass der Zugang – durch die größere Menge an Quantenbits – Sicherungskopien für jedes Quantenbit beinhaltet, also eine Art der Fehlerkorrektur. Ein weiterer Vorteil: „Diese Version des Quantencomputers ist flexibel programmierbar, im Gegensatz zum bisherigen Konzept, bei dem die Wechselwirkung und damit das Programm zwischen den Quantenbits fix verdrahtet werden mussten“, so Lechner.

Das Konzept ist auf jede Art von Quantenbits anwendbar, etwa supraleitende Schaltkreise, Ionen oder ultrakalte Gase. Am Prinzip ändert sich nichts. Die Arbeiten wurden am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der österreichischen Akademie der Wissenschaften (IQOQI) und der Uni Innsbruck durchgeführt. Sie wurden vom FWF und dem europäischen Forschungsrat ERC unterstützt und nun in der Fachzeitschrift „Science Advances“ vorgestellt.

Revolutionen im Bereich der Quantencomputer werden seit Jahren immer wieder angekündigt, wie weit man der Realisierung eines praxitauglichen Quantenrechners in den vergangenen Jahren nähergekommen ist, lässt sich schwer beurteilen. Der „Breakeven“, also der Zeitpunkt, an dem Quantenrechner die klassischen Rechner tatsächlich einholen oder ersetzen, könnte noch weit entfernt sein, sagt Lechner. Er weist aber darauf hin, dass das Thema im Moment das Interesse vieler IT-Riesen auf sich zieht: Google, Microsoft, IBM oder Intel sind in dem Bereich aktiv. Deshalb hat man das Konzept auch patentieren lassen, was ungewöhnlich sei für derartige Arbeiten, so Lechner stolz. Vorsichtiger Optimismus scheint also angebracht.

LEXIKON

Adiabatischer Quantencomputer: Eine Zustandsänderung bezeichnet man als adiabatisch, wenn keine Wärme mit der Umgebung ausgetauscht wird. Die Idee des adiabatischen Quantencomputers ist nun, ein Quantensystem zu finden, dessen Grundzustand der Lösung eines bestimmten Problems entspricht, und ein anderes Quantensystem, das leicht herzustellen ist. Dann wird das eine System ins andere übergeführt. Passiert das langsam genug, ist der Übergang adiabatisch. So kann sichergestellt werden, dass das zweite System wirklich im Grundzustand ist und die gewünschte Lösung enthält.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2015)

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