Den wissenschaftlichen Verlagen wird der Kampf angesagt

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Forschungsjournale. Wissenschaftliche Fachzeitschriften kosten immens viel Geld. Die Universitäten fordern den Open Access, also den freien Zugang.

All jene, die sich für Wissenschaft und Forschung interessieren, müssen sich geprellt vorkommen. Da wird die über Universitäten, wissenschaftliche Institutionen oder mit Hilfe der Forschungsförderung des Staates erzielte neue Forschung in wissenschaftlichen Verlagen publiziert – und dann müssen diese Publikationen, also die durch öffentliche Mittel gewonnenen Erkenntnisse zurückgekauft werden. Der Steuerzahler zahlt also gleich zwei Mal. So geben etwa die österreichischen Universitäten 45 Millionen Euro pro Jahr für den Ankauf von Publikationen wissenschaftlicher Verlage aus.

Diese Problematik behandelte der Club Research in einer Diskussionsveranstaltung in Wien, wobei es in erster Linie um die zunehmende Open-Access-Bewegung ging. Open Access bedeutet den freien Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen, ohne die äußerst kostspieligen, auf Forschungsergebnisse spezialisierten, Zeitschriften kaufen zu müssen. Allerdings: Die Top-Journale würden punkto Forschungserkenntnisse die höchste Qualität liefern, ohne die man nicht auskommen könne, sagt Susanne Weigelin- Schwiedrzik, Sinologin an der Uni Wien und frühere Vizerektorin für Forschung. Also müsse eine Universität diese Magazine ankaufen.

Die Universitäten spielen mit

Ob nicht die Wissenschaftler, beginnend mit der neuen Forschergeneration, besser auf die Verlage verzichten und selbst über das Internet publizieren sollten? „Nein, ich empfehle jedem, in den besten Journalen zu veröffentlichen“, sagt Weigelin-Schwiedrzik, und die anderen Diskutanten bei der Veranstaltung des Club Research stimmten ihr zu. Denn bei Habilitationen, Berufungen und weiteren Schritten in der akademischen Karriere würden nur die Beiträge in den besten Journalen zählen und die Qualifikation der Autoren anheben. „Die Universitäten spielen da mit“, sagt Matthias Karmasin, Kommunikationswissenschaftler an der Uni Klagenfurt. Selbst bei den internationalen Uni-Rankings würden derartige Veröffentlichungen als Gradmesser herangezogen werden.

Alle Seiten spielen in diesem Prozess mit. Die Forscher, weil sie von sich aus an die Verlage herantreten. Jene Professoren, die als Gutachter im Peer-Review-Verfahren mitwirken. Die Universitäten, die auf die Zahl der Veröffentlichungen in den angesehenen Verlagen Wert legen. Und selbst das Wissenschaftsministerium, das bei der Budgetzuteilung einer Universität deren Wissensbilanz berücksichtigt. Und in eben diesen Bilanzen wird die Zahl der Veröffentlichungen ausgewiesen.

Eine ständig steigende Zahl an Wissenschaftlern wollen da nicht mehr mitspielen. Der zur Wiener Diskussion eingeladene Gerard Meijer, Präsident der Radboud-Universität Nijmegen, ist einer der Hauptvertreter der europäischen Open-Access-Bewegung. Die niederländischen Universitäten haben in einem ersten Schritt dem Verlagsimperium Elsevier einen Boykott angedroht. Ihr Sprecher Gerard Meijer fordert eine grundlegende Änderung des Systems mit weitaus moderateren Bezugsgebühren. Derzeit würden allerdings die Verlage einzeln mit den Universitäten die Gebühren aushandeln und die Verträge mit einer Geheimhaltungspflicht versehen. Damit wird eine Abhängigkeit zum jeweiligen Verlag geschaffen.

Netzwerk in Österreich

In Österreich wurde 2005 das Netzwerk Open Access Austria gegründet, dem derzeit mehr als 50 Institutionen angehören. Bis 2025 sollen alle Publikationen im Open Access verankert sein, skizziert Peter Seitz vom Wissenschaftsministerium die Zielvorstellung. Sukzessive sollen in den nächsten zehn Jahren die Verlagsverträge gesenkt werden.

Juliane Reed vom Springer-Verlag mit seinen 2000 Fachzeitschriften signalisiert eine Zustimmung. Zudem ermögliche der Verlag Wissenschaftlern, in den 1600 Hybridzeitschriften zu publizieren. Diesen Weg kritisiert aber Weigelin-Schwiedrzik. Bei Hybridbeiträgen zahlt der Forscher ohne Begutachtung deren Veröffentlichung. Das lehne die Uni Wien entschieden ab.

LEXIKON

Open Access bedeutet den kostenfreien Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die z. B. im Internet abrufbar sein sollten.

Der „Goldene Weg“ bedeutet die Drucklegung in einem Open-Access- Verlag samt Peer-Review-Verfahren und Nutzungslizenzen. Beim „Grünen Weg“ wird erst nach einer gewissen Zeit eine Parallelveröffentlichung (z. B. auf der eigenen Homepage) freigegeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2015)

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