Studie: „Stille Epidemie“ in Amerika

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Die Sterblichkeit zwischen 45 und 54 ist in den USA in den vergangenen 15 Jahren gestiegen – aber nur bei Weißen. Schuld sind u. a. Schmerzmittel und Suizide.

Die Menschen leben immer länger und gesünder: In allen reichen Ländern sinkt die Häufigkeit der Sterbefälle in mittleren und späten Lebensjahren. Auch in den USA. Umso überraschender kommt nun eine in den Proceedings of the National Academy of Sciences (2. 11.) veröffentlichte Studie: Zwei Ökonomen der Princeton University, Anne Case und Angus Deaton (Nobelpreisträger 2015), fanden einen gegenläufigen Trend.

Allerdings nur für ein Lebensjahrzehnt – zwischen 45 und 54 – und nur für eine Bevölkerungsgruppe: für white non-Hispanic Americans (WNH), also für Weiße, die nicht aus Mexiko oder anderen lateinamerikanischen Ländern zugewandert sind. In dieser Gruppe ist die Zahl der Todesfälle in diesem Lebensjahrzehnt zwischen 1999 und 2013 signifikant gestiegen: um circa ein halbes Prozent pro Jahr, von rund 380 Todesfällen pro 100.000 Menschen auf 415. Wäre der Abwärtstrend der Jahre 1979 bis 1998 geblieben, wären fast 500.000 Menschen nicht gestorben, sagen die Forscher. „Quiet ,epidemic‘ has killed half a million middle-aged white Americans“, heißt es in einer Aussendung von Princeton. Diese Anzahl sei vergleichbar mit jener an Aids-Toten. Besonders ins Gewicht fallen Menschen mit schlechter Bildung. Bei WNH, die kein College besucht haben, sind es 736 Todesfälle pro 100.000, bei WNH mit Collegeabschluss nur 288!
Was ist schuld an dieser „Epidemie“? Ein üblicher Verdächtiger, der Tabak, ist es nicht: Die Anzahl der Todesfälle durch Lungenkrebs ist gesunken. Auch Diabetes ist nicht schuld. Starke Zuwächse gab es bei Vergiftungen – auf das Vierfache! –, bei Selbstmorden und chronischen Leberkrankheiten.

Forscher für Opiatkontrolle

Diese Todesursachen sind auch in anderen Altersgruppen der weißen US-Bürger häufiger geworden, wenn auch nicht so rasant. Was könnte dahinterstehen? Die Forscher weisen auf die leichtere Zugänglichkeit von Opiaten hin – und sprechen von einer „epidemic of pain“: Immer mehr Amerikaner in mittleren Jahren leiden unter chronischen Schmerzen. Die Daten könnten freilich nicht sagen, was zuerst kam, die Schmerzen oder die Schmerzmittel. Aber, so Deaton: „Wir müssen uns überlegen, Verschreibungen von Opiaten zu kontrollieren. Die Federal Drug Administration hat kürzlich Oxycodon (ein starkes Opiat, Anm.) für Kinder zugelassen.“ Deaton sieht auch einen Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise. Er spricht von einer „Epidemie der Hoffnungslosigkeit“ und einer „schrecklichen Folge von langsamem Wachstum und wachsender Ungleichheit“.

Schwer zu erklären ist, warum die Mortalität im gleichen Zeitraum und in der gleichen Altersgruppe bei Hispanics und bei Schwarzen nicht gestiegen, sondern deutlich gesunken ist. Absolut ist sie bei Schwarzen (582 pro 100.000) allerdings auch heute noch höher als bei Weißen (415), die Hispanics liegen deutlich darunter (270).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2015)

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