Psychologie: Woher kommt unsere Fairness?

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Symbolbild.(c) Michaela Bruckberger
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Aversion gegen Benachteiligung liegt in der Natur, Aversion gegen Bevorzugung in der Kultur. Eine Studie an Kindern zeigte es.

Jeder Mensch pocht auf Fairness und nimmt lieber einen Verlust auf sich als die Verletzung dieser Norm. Zumindest ist das bei Erwachsenen so, und es ist, allerdings mit großen Differenzen, in allen Kulturen so. Aber wann entwickelt sich der Sinn dafür, und wie entwickelt er sich, haben wir ihn von Natur aus oder wird er uns anerzogen?

Das wurde bisher nur an Kindern von Gesellschaften getestet, die WEIRD sind (western, educated, industrialized, rich, democratic): Dort kommt im Alter von vier Jahren eine Abneigung gegen Unfairness, die Nachteile bringt (disadvantageous inequity aversion, DI), sie ist gespeist von Groll. Mit acht Jahren kommt noch etwas, AI – adventageous inequity aversion –, man will auch keine unfairen Vorteile, das hängt mit Großzügigkeit zusammen und damit, dass man die eigene Reputation und die Kooperationsbereitschaft der anderen nicht gefährden will.

Ist das bei allen Menschen so, und ist es nur bei Menschen so? DI ist auch im Tierreich verbreitet, man weiß es von Experimenten etwa mit Hunden: Sie reagieren auf unfaire Behandlung beleidigt, verweigern Kooperation. Ganz ähnlich ist es bei Vierjährigen in sieben verschiedenen Ländern: Kanada, Indien, Mexiko, Peru, Senegal, Uganda, USA. Dort hat Felix Warneken (Harvard) Kinder paarweise vor einen durchsichtigen Kasten gesetzt. Der hatte zwei Fächer – eines für jedes Kind –, in denen lagen Süßigkeiten, entweder ganz fair verteilt, je eine, oder ganz unfair, in einem eine, im anderen vier.

Lieber nichts als unfair wenig!

Dann durfte eines der Kinder entscheiden: War es mit den Portionen zufrieden, drückte es einen grünen Knopf, die Süßigkeiten wurden zugänglich; passte ihm die Verteilung nicht, konnte mit einem roten Knopf die ganze Fuhre zum Verschwinden gebracht werden. Dafür entschieden sich Kinder aller Gesellschaften, wenn sie nur eine Süßigkeit, das andere aber vier bekommen sollten, lieber verzichteten sie auch auf das eine.

Und wenn ihnen selbst vier zugedacht waren und dem anderen nur eine? Dann zeigte sich mit acht Jahren eine Differenz: In manchen Ländern wurde auch AI wirksam, also der rote Knopf gedrückt – Kanada, Uganda, USA –, anderswo nicht (Nature 18. 11.). AI ist also ein Ergebnis der Kultur, wobei wenig klar ist, was hineinspielt: in WEIRD-Ländern die stärkeren Gleichheitsnormen? In Uganda viele Lehrer aus WEIRD-Ländern? Größere Folgestudien sollen helfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2015)

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