Die ewige Suche nach dem Autoschlüssel

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Themenbild(c) Clemens Fabry
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Psychologie. Auch die Grundlagenforschung nutzt Eyetracking-Systeme. Grazer Forscher verwenden sie, um die menschliche Wahrnehmung besser zu verstehen: Sie interessiert, welche Rolle das Gedächtnis beim Suchen spielt.

Die Butter ist im Kühlschrank - aber wo? Und wo liegt jetzt wieder der Autoschlüssel? Jeden Tag suchen wir zwischen einer Vielzahl von Objekten jenes unseres aktuellen Begehrens. Dasselbe passiert in einer Menschenmenge, wenn wir nach einem bekannten Gesicht Ausschau halten. Da und dort ähneln sich die Objekte auf den ersten Blick, daher muss man sie eines nach dem anderen überprüfen, um das richtige zu finden – Forscher sprechen von visueller Suche. Wie diese funktioniert und welche Rolle das Gedächtnis dabei spielt, untersuchen Psychologen der Uni Graz in einem neuen Forschungsprojekt.

„Uns interessiert, welche Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprozesse bei der visuellen Suche eine Rolle spielen“, sagt Anja Ischebeck, die das Projekt gemeinsam mit Christof Körner leitet. Dabei spaltet eine Grundsatzdiskussion die Wissenschaftswelt: Ein Teil meint, dass visuelle Suche ein so hoch automatisierter Prozess ist, dass er kein Gedächtnis braucht. Dem schließen sich die Grazer nicht an. Bereits in ersten Vortests gelang es zu zeigen, dass auch beim Finden von Objekten Gedächtnisprozesse wirken. Dazu wurden Studenten gebeten, in Kreisen den Buchstaben T zu finden, der ein-, zwei- oder auch keinmal vorkommen konnte. Als Ablenkung dienten viele L. „Kommt das T nun einmal vor, muss ich mir dessen Position merken, um ein zweites nicht mit ihm zu verwechseln“, erklärt Ischebeck. Eine Aktivierung des Gehirns, die sich in der Elektroenzephalografie, kurz EEG, auch zeigen ließ. Was simpel klingt, beansprucht also bereits das Gedächtnis.

Augen normal bewegen

Geplant sind noch mehr Experimente, bei denen die Wissenschaftler auch funktionelle Magnetresonanztomografie, ein weiteres bildgebendes Verfahren, mit dem sich Gehirnaktivität messen lässt (siehe Lexikon), nutzen. Die Studenten tragen bei den Experimenten jeweils auch ein Eyetracking-System, das bei den im Labor gestellten Aufgaben die Augenbewegungen festhält. Auch das war lang umstritten, Versuchspersonen sollten die Augen nach Möglichkeit nicht bewegen. Denn Blickbewegungen können sogenannte Artefakte erzeugen, also das EEG verzerren, weil sie selbst messbare elektrische Spannungsschwankungen verursachen. Die Grazer Wissenschaftler bereinigen daher das Signal rechnerisch. „Sieht eine Versuchsperson einfach nur geradeaus auf ein Suchgitter, weiß man nicht, wann sie ein Ziel entdeckt hat“, so die Psychologin. Außerdem entspricht das nicht der Situation im „echten Leben“.

Das vom Wissenschaftsfonds (FWF) geförderte Projekt dauert drei Jahre. Und dann? Dann will man die menschliche Wahrnehmung und damit auch Störungen der Aufmerksamkeit besser verstehen. Das ist zwar noch Grundlagenforschung. Aber vielleicht gibt es in der Folge irgendwann ja doch Hinweise, wie man seinen Autoschlüssel etwas schneller findet. (gral)

LEXIKON

Elektroenzephalografie, kurz EEG, misst die durch die elektrische Aktivität der Nervenzellen des Gehirns entstehenden Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche.

Durch funktionelle Magnetresonanz-tomografie (fMRT) lassen sich physiologische Funktionen im Inneren des Körpers abbilden: etwa Durchblutungsänderungen von Hirnarealen, die mit neuronaler Aktivität im Zusammenhang stehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2015)

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