Leberentzündung: Aus Schutz wird Schaden

Spritze - injektion
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Zellbiologie. Wie Hepatitisviren es schaffen, Leberzellen zu töten, ist bis heute nicht klar. Wiener Forscher fanden nun einen Weg, wie das Virus Zellschäden verursacht: mit dem Immunprotein Interferon und freien Sauerstoffradikalen.

Leberschäden können unterschiedliche Ursachen haben. Nicht nur Alkoholmissbrauch, auch Viren können schuld sein. Weltweit sind 500 Millionen Menschen mit Hepatitisviren infiziert. Man erkennt die Erkrankung schnell: Die Patienten haben eine gelbe Haut, weil das Abbauprodukt des Blutfarbstoffs, das Bilirubin, erhöht ist. Doch bis heute ist nicht ganz geklärt, welche Vorgänge die Leberzellen schädigen – und in weiterer Folge auch zu Leberzirrhose und Krebs führen können.

„Man wusste zwar, dass bei Virusinfektionen der Leber ein hoher oxidativer Stress in den Zellen herrscht“, sagt Andreas Bergthaler, Gruppenleiter am Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Dies bedeutet, dass zu viele freie Sauerstoffradikale in der Leberzelle vorkommen.

Bergthaler, der soeben den hoch dotierten Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) erhalten hat, hat untersucht, durch welche Mechanismen der oxidative Stress auftritt und wie man ihn vermindern kann. Dabei hat man gesehen, dass ein Molekül, das eigentlich für den Schutz der Zelle da ist, bei Hepatitis Schaden auslöst. „Interferone sind Proteine des Immunsystems, die sehr früh bei viralen Infektionen aktiv werden.“

Sie halten die fremden Eindringlinge so lang in Schach, bis die große Armee des Immunsystems – mit Antikörper und T-Zellen – die Infektion bekämpfen kann. „Wir haben nun herausgefunden, dass Interferon gleichzeitig die Leberzellen schädigt“, sagt Bergthaler. Und zwar, indem es auf zwei Arten die Menge an freien Sauerstoffradikalen erhöht: Erstens blockiert es das Enzym, das die Radikale beseitigen soll, zweitens produziert es neue Radikale. Einfach gesagt: Es hindert die Müllabfuhr in der Zelle, die schädlichen Radikale aus dem Weg zu räumen und es macht selbst ständig neuen – radikalen – Müll.

„Wir fragen uns: Warum hat die Evolution diesen Ablauf nicht unterbrochen, wenn die ,guten‘ Interferone in diesem Fall die Zellen schädigen? Welchen Sinn hat es für den Körper, dass Interferone in der Leber zu Zellschäden führen?“, sagt Bergthaler.

Leberschaden verhindern

Sein Team fand im vorigen Jahr auch heraus, dass Interferone bei Patienten mit Influenza-Infektionen eine schädliche Nebenwirkung haben können. Sie fördern die Anfälligkeit für bakterielle Lungenentzündung bei der Grippe. „Seit 50 Jahren wird an Interferonen geforscht: Sie werden auch als Therapie bei Hepatitis C, bei Multipler Sklerose und Krebsarten wie Leukämie erfolgreich eingesetzt. Aber erst jüngstens findet man einige Schattenseiten dieser Immunproteine“, erklärt Bergthaler.

Im Tiermodell konnte sein Team nun zeigen, dass die leberschädigende Wirkung der ansonsten hilfreichen Interferone bei Virus-Hepatitis unterbunden werden kann. Entfernt oder blockiert man die Andockstellen für das Protein an der Zelloberfläche, so kann man den Zelltod durch Sauerstoffradikale verhindern.

„Unsere Arbeit ist Grundlagenforschung, ohne die Einbindung von Pharmafirmen. Doch die neuen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, dass man Therapien gegen virale Hepatitis verbessert. Oder dass man Nebenwirkungen von bestehenden Interferon-Therapien verringern kann.“

LEXIKON

Interferone sind Gewebshormone, die als Teil des Immunsystems bei Infektionen sehr früh aktiv werden. Sie können wie ein Zündschlüssel die Immunantwort „anspringen“ lassen. Es gibt Interferone verschiedener Typen: Alpha, Beta, Gamma und Tau. Bei Hepatitis-Erkrankungen werden Interferone als Therapie eingesetzt. Dies ist sehr kostspielig. Auch bei Multipler Sklerose und einigen Krebsformen verhindert die Interferon-Therapie einen Krankheitsfortschritt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2015)

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