Sie teilen das Bett, nicht immer den Tisch

Beziehungen
Beziehungen(c) FABRY Clemens
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Demografie. Mehr und mehr Paare stehen zwar zueinander, ziehen aber nicht zusammen. Häufig ist die Arbeit der Grund für Fernbeziehungen, Viele wollen aber auch einfach an ihrer Unabhängigkeit festhalten.

Sie sind zusammen und leben doch getrennt. Verbringen das Wochenende miteinander und dann packt einer den Koffer: geht, um nach ein paar Tagen oder Wochen zurückzukommen. Immer mehr Menschen leben heute in Fernbeziehungen. Vor allem der Anteil bei den 25- bis 29-Jährigen stieg zuletzt in Österreich von 26 auf 30 Prozent, der der 30- bis 34-Jährigen von zwölf auf 18 Prozent (siehe Grafik).

Forscher des Instituts für Demografie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) haben untersucht, wer diese Menschen sind und wie es ihnen geht. Mit den Daten aus dem Generations & Gender Programme (GGP), koordiniert von den Vereinten Nationen, sind nun erstmals Langzeitvergleiche für Österreich möglich.

(c) Die Presse

Österreich beteiligt sich seit 2009, es ist das einzige Land, das auf die junge Zielgruppe der 18- bis 45-Jährigen fokussiert. 2013 wurde die Befragung von 3000 Frauen und 2000 Männern wiederholt. „So lassen sich Änderungen in den Lebensumständen, Wünschen und Einstellungen auch vergleichen“, sagt Mathematikerin Isabella Buber-Ennser von der ÖAW.

Die neuen Ergebnisse präsentiert sie kommende Woche vom 30. November bis 1. Dezember auf der 3rd Generations and Gender Programme User Conference in Wien. Dort stellen Forscher aus ganz Europa ihre auf den GGP-Daten beruhenden Erkenntnisse zu Familiengründung, dem Leben mit Kindern und dem Zusammenleben der Generationen vor.

Leben und Liebe trennen

„Fernbeziehungen gab es schon immer. In der Forschung sind sie aber ein eher junges Phänomen“, sagt die aus Frankreich stammende Demografin Eva Beaujouan, die ebenfalls an der ÖAW forscht. Warum aber leben Partner, die zusammengehören, getrennt? Für rund ein Viertel der Paare sei die Arbeit der Grund, weshalb sie Leben und Liebe trennen, sagt Beaujouan. Vor allem bei Senioren, aber auch bei Jüngeren werde jedoch das Argument, dass sie ihre Freiheit nicht aufgeben wollen, immer wichtiger.

Welche Menschen leben in Fernbeziehungen? Beaujouan unterscheidet – nach Alter und Lebenssituation – vier Gruppen von Paaren. Die größte bilden Studenten: Sie leben noch bei den Eltern, lassen sich im Hotel Mama versorgen. Ihr Anteil blieb zuletzt konstant. Den deutlichsten Anstieg verzeichnet die Gruppe der jungen Jobeinsteiger ab 25 Jahren: Sie haben noch keine Kinder und wollen, oft in einer anderen Stadt, im Beruf durchstarten.

Teilzeitbeziehung tut auch gut

Aber auch wer mit Kind, aber getrennt lebt, zieht nicht gleich wieder mit einem neuen Partner zusammen – die Gruppe der Alleinerzieher ist durch die Zunahme der Scheidungen ebenfalls gewachsen.

Und dann gibt es noch die Älteren: Sie sind geschieden, oder der Partner ist verstorben, die Kinder sind schon aus dem Haus. „Sie wollen in der eigenen Wohnung, in der Nähe von Kindern und Enkeln bleiben. Sie wollen ihre Lebenssituation gar nicht verändern und sagen auch oft gar nicht, dass sie zusammenziehen wollen“, so Beaujouan.

Den meisten scheint die Teilzeitbeziehung auch gut zu tun, jedenfalls besser, als allein zu sein. Mathematikerin Buber-Ennser hat untersucht, wie wohl sich Menschen in verschiedenen Beziehungsformen fühlen: ein Aspekt, der bisher in der Forschung kaum beachtet wurde. „Wichtiger als die Form des Zusammenlebens ist, dass man einen Partner hat“, sagt sie. Menschen in Fernbeziehungen geben zwar weniger häufig an, sich wohlzufühlen, als Menschen in klassischen Partnerschaften; dennoch fühlen sie sich etwa gesünder als Singles. Der Trend zeige sich vor allem bei Männern, die sonst als weniger gesundheitsbewusst gelten. „Sie profitieren von den Frauen, die mehr auf die Ernährung und den Körper achten“, so Buber-Ennser.

Und wie haben sich die Fernbeziehungen zwischen 2009 und 2013 entwickelt? Mit 56 Prozent lösten sich bis 2013 mehr als die Hälfte auf. Auf der anderen Seite teilt sich die Hälfte derer, die zusammenziehen wollten, heute einen gemeinsamen Haushalt. Nur eine Minderheit blieb zusammen und in getrennten Haushalten.

LEXIKON

Living apart together. So bezeichnen Forscher Fernbeziehungen: wenn Menschen zusammengehören, aber getrennt wohnen. Meist ist die Arbeit ein entscheidender Grund; immer mehr wollen aber auch ihre Freiheit nicht mehr aufgeben.

Das Generationsand Gender Programme, kurz GGP, ist eine Langzeitstudie in 19 europäischen Staaten. Dabei werden Fragen der Partnerschaft, des Übergangs ins Erwachsenenalter oder auch Pflegeaktivitäten im Familienkreis untersucht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2015)

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