Schildkrötenpanzer ist auch nur Haut

Schildkröte
Schildkröte(c) Clemens Fabry
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Zoologie. Schildkröten schützen sich durch den Panzer, der aus vernetzten Hautschichten und Proteinen besteht. Die Gene ähneln den Hautgenen des Menschen.

Dass Humanmediziner an Schildkröten forschen, ist ungewöhnlich. Doch die Gruppe um Leopold Eckhart der Med-Uni Wien untersucht in einem FWF-Projekt die Genetik der Hautentwicklung bei Vögeln, Säugern und Reptilien. Daher analysierten sie auch die genetische Steuerung der Haut bei Schildkröten, um Näheres über die Evolution von Genen zu erfahren, die auch beim Menschen wichtig sind.

Es handelt sich um Gene des Epidermal Differentiation Complex (EDC), die bei Menschen die Haut vor dem Eintritt von Mikroben und Allergenen schützen sollen. Mutationen in dem Genkomplex können zum Beispiel Schuppenflechte, Psoriasis, auslösen.

Gemeinsamer Vorfahre

Eckharts Team der Forschungseinheit für Biologie und Pathobiologie der Haut an der Uni-Klinik für Dermatologie ist auf der Suche nach neuen Behandlungen für Psoriasis, Dermatitis und Akne: Da kam den Hautbiologen und Medizinern die Idee nachzusehen, was die Evolution sonst noch mit EDC-Genen und den daraus entstehenden Proteinen angestellt hat.

Eine besondere Variante von schützender Haut tragen alle Schildkröten um ihren Rumpf: Der Panzer besteht aus eng vernetzten Hautzellen und Proteinen und dient als Schutz gegen Angreifer.

Die Wiener Forscher untersuchten also die Genetik, die für die Hautschichten von Schildkröten verantwortlich ist: am Beispiel der Europäischen Sumpfschildkröte, der einzigen in Österreich heimischen Art, und der nordamerikanischen Zierschildkröte. Es zeigte sich, dass EDC-Gene bei den Reptilien dafür zuständig sind, dass Proteine gebildet werden, die die äußerste Hautschicht durch Quervernetzungen der Hornsubstanz stark verhärten, sodass der Panzer entstehen kann.

Interessanterweise war die grundlegende Organisation dieses Genkomplexes bei den Schildkröten gleich wie beim Menschen: Das deutet darauf hin, dass der letzte gemeinsame Vorfahre von Mensch und Schildkröte bereits den Genkomplex in einer ähnlichen Form in sich trug. Aus dem Stammbaum der Genetik kann man darauf schließen, dass dieser gemeinsame Vorfahre vor circa 310 Millionen Jahren gelebt hat und den heutigen Reptilien ähnlich war.

Ideen für bessere Therapien

Vor rund 250 Millionen Jahren dürfte die Evolution der Schildkröten von der Entwicklung der restlichen Reptilien, wie Krokodile, Echsen und Schlangen, eine Abzweigung genommen haben: Denn in diese Zeit wird die Mutation der EDC-Gene datiert, die es Schildkröten ermöglicht, den für sie so einzigartigen Panzer zu bilden.

Die Erkenntnis, dass die evolutionär verwandten Gene bei Mensch und Schildkröte eine Schutzfunktion der Haut steuern, soll helfen, die Wechselwirkungen von Proteinen in äußeren Hautschichten besser zu verstehen. Dies soll schlussendlich auch zu verbesserten Therapien für Schuppenflechte führen. (APA/vers)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2015)

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