Gendefekte begünstigen Alkoholleber

Girl tasting her frist red wine
Girl tasting her frist red wine(c) Erwin Wodicka
  • Drucken

Medizin. Ein internationales Forscherteam mit Salzburger Beteiligung hat herausgefunden, dass Mutationen in zwei Genen die Entstehung einer Leberzirrhose bei hohem Alkoholkonsum fördern.

Bekanntermaßen ist es gesünder, jeden Tag ein bisschen Alkohol zu trinken, als darauf komplett zu verzichten. So haben laut Weltgesundheitsorganisation nicht mehr als 20 Gramm Alkohol pro Tag bei Frauen (etwa ein Viertel Wein) und nicht mehr als 40 Gramm pro Tag bei Männern (beispielsweise ein großes und ein kleines Bier) eine schützende Wirkung vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen, möglicherweise sogar gegen gewisse Schädigungen der Leber.

Alkohol ist also per se nicht ungesund. Und nicht jede Erkrankung der Leber, wie etwa Leberverfettung oder Leberzirrhose, ist auf exzessiven Alkoholkonsum zurückzuführen – es gibt eine Reihe von weiteren Risikofaktoren wie Ernährung, Umwelteinflüsse und natürlich die Veranlagung. Was den letzten Punkt angeht, hat nun ein internationales Forscherteam unter österreichischer Beteiligung eine bahnbrechende Entdeckung gemacht, die in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Genetics“ publiziert wurde und weltweit für Aufsehen gesorgt hat. In der in einem Zeitraum von fünf Jahren durchgeführten Studie wurden zwei mutierte Gene als neue genetische Risikofaktoren für die Entstehung einer Leberzirrhose identifiziert.

Nicht jeder gleich betroffen

Zum Hintergrund: Fettleber, nachfolgende Leberzirrhose und auch Leberzellkarzinome sind bekannte Erkrankungen bei Menschen mit jahrelang hohem Alkoholkonsum. Aber nicht alle von ihnen sind gleich häufig betroffen. „Wir wissen aus dem klinischen Alltag, dass es Menschen gibt, die trotz jahrelangen übermäßigen Alkoholkonsums keine Leberzirrhose entwickeln. Andererseits gibt es Menschen, die kein echtes Alkoholproblem haben, aber sehr schnell eine Fettleber und eventuell eine Zirrhose entwickeln“, sagt Christian Datz, Facharzt für Gastroenterologie und Vorstand der Abteilung für Innere Medizin des Krankenhauses Oberndorf in Salzburg. Er ist einer der Autoren der Publikation. Weltweit sind etwa vier Prozent der Todesfälle auf exzessiven Alkoholkonsum zurückzuführen.

„Die meisten Menschen mit hohem Alkoholkonsum entwickeln eine Fettleber, bei zehn bis 35 Prozent dieser Personen zeigt sich darüber hinausgehender Schaden mit Entzündungen, Absterben von Zellen und einer fortschreitenden Vernarbung. Von ihnen bekommen schließlich zehn bis 15 Prozent eine Leberzirrhose“, steht in der Arbeit der Wissenschaftler Felix Stickel (Uni-Klinik Zürich), Erik Trepo (Uni-Klinik Brüssel) und Jochen Hampe (Uni-Klinik Dresden).

Gestörter Fettstoffwechsel

Konkret haben die Forscher jetzt die Häufigkeit bestimmter Varianten der Gene PNPLA3, TM6SF2 und MBOAT7 bei Patienten mit Leberzirrhose untersucht. Für PNPLA3 war eine Beteiligung an der Entwicklung der Erkrankung bereits bekannt, TM6SF2 und MBOAT7 wurden hingegen bei einem Vergleich von 1148 Patienten und 2315 Angehörigen einer Kontrollgruppe (alkoholkranke Patienten ohne Lebererkrankung) als neue Risikofaktoren identifiziert. „Bei den beiden Genen gehen wir davon aus, dass sie etwas mit dem Fettstoffwechsel zu tun haben“, sagt Datz. Beim Vorliegen von TM6SF2-Mutationen dürfte der Abtransport von bestimmten Fettanteilen aus der Leber gestört sein, was wiederum zu einer Ansammlung von Fett in unterschiedlichen Formen, zumeist Triglyceriden führt – mit Folgen wie einer Verfettung und Entzündung der Leber.

Mutationen im Gen MBOAT7 könnten zum einen Entzündungen in der Leber, zum anderen die Fibroseprogression (Vernarbung) fördern. Genaue Untersuchungen dazu gibt es bisher nicht. Ebenso wenig wie Informationen darüber, wie viele Menschen von Mutationen dieser Gene betroffen sind.

Laut Datz liegt nun die große Herausforderung darin, herauszufinden, wie genau diese beiden Gene funktionieren und zu welchen Funktionsverlusten eine Mutation führt. Dann könnte das Erstellen von Risikokonstellationen und sogar die Durchführung von genetischen Beratungen möglich sein.

IN ZAHLEN

40 Gramm. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind bis zu 20 Gramm Alkohol pro Tag für Frauen und 40 Gramm pro Tag fürMänner nicht schädlich. Sie können sogar nützlich sein. Zur Orientierung: Ein kleines Bier enthält rund 11,5 Gramm Alkohol, ein Viertel Wein rund 18 Gramm, ein Glas Sekt (0,1 Liter) neun Gramm, ein Glas Likör (0,02 Liter) 3,2 Gramm und ein Glas Whiskey (0,02 Liter) sieben Gramm.

340.000 Alkoholiker. Rund zehn Prozent der Österreicher entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Alkoholkrankheit. 340.000 Menschen sind bereits alkoholkrank und weitere zwölf Prozent der erwachsenen Österreicher konsumieren längerfristig Alkoholmengen, die ein Gesundheitsrisiko darstellen. Laut einer aktuellen Studie des Krankenhauses Oberndorf entwickeln in Österreich 60,9 Prozent der Männer und 43,6 Prozent der Frauen im Lauf ihres Lebens eine Fettleber (mit oder ohne Alkoholeinfluss).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.