Das Erbe der Neandertaler ist zwiespältig

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Gene, die wir von den frühen Brüdern haben, stärkten das Immunsystem, brachten aber auch Allergien.

Wer weiß, wem unsere Ahnen bei ihrem Wandern durch die Welt begegnet sind und wen sie im biblischen Sinne erkannten! Zwei dieser Ahnen kennt man, den Neandertaler und den Menschen von Denisova, von Ersterem haben wir Europäer zwei bis vier Prozent unserer Gene, ganz wenige haben wir auch von Denisova. Deren Gene sind gehäuft bei Ostasiaten, und an einem Gen hat sich auch gezeigt, warum es von Homo sapiens übernommen wurde: Dass die Menschen in Tibet das Leben in der dünnen Luft aushalten, haben sie Ahnen aus Denisova zu danken.

Nicht alle Bezüge sind so klar, beim Erbe der Neandertaler gab es viele Spekulationen, die roten Haare seien von ihm gekommen – das stimmt eher nicht –, die dickeren Haare hätten wir ihm zu danken, das ist eher vorstellbar. Dann gibt es ganz Exotisches – schon Neandertaler hatten eine Genvariante, die für Nikotinsucht anfällig machte – und Näherliegendes, es betrifft die Haut und ihre Leiden: H. sapiens war ja dunkel und kam aus der Wärme, die Haut musste reagieren.

Neue Erreger, neue Abwehr

Und das Immunsystem musste es auch, dort sucht man schon lange nach Neandertaler–Erbe, Kandidaten sind „toll-like receptors“ (TLR), die nehmen Krankheitserreger im Körper wahr und aktivieren die Abwehr: Drei davon haben wir von den Brüdern – zwei von Neandertalern, einen vom Denisova-Menschen –, die lebten schon in Asien, als H. sapiens dort ankam, sie hatten sich auf die Krankheitserreger der Region eingestellt und teilten ihre genetischen Reaktionen mit ihm.

So weit der Verdacht, er wird nun doppelt bestätigt (American Journal of Human Genetics 7. 1.): Michael Dannemann (Leipzig), zeigt es direkt an den TLR, Lluis Quintana-Murci (Paris) fand es im Rahmen einer breiteren Analyse: Er hat Immungene analysiert, die in den letzten Jahrtausenden gekommen sind: Die meisten kamen mit der Agrikultur – und ihrem gedrängten Leben, auch mit Tieren –, aber die TLR kamen früher. Doch sie haben einen Preis: Sie machen nicht nur für Krankheitserreger wach, sie schlagen auch Fehlalarm und brachten Allergien. (jl)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2016)

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