Medizin für Tiere, die gern ausspucken

Lamas
Lamas(c) FABRY Clemens
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Veterinärmedizin. Wiener Wissenschaftlerinnen entwickelten eine Paste, die Lamas und Alpakas gut schmeckt: Sie hilft gegen gefährliche Leberparasiten. Die Paste kann mit anderem Wirkstoff auch für weitere Therapien genutzt werden.

Es soll sehr entspannend wirken, so eine Trekkingtour mit Lamas und Alpakas. Das wird nicht nur in Südamerika angeboten, der ursprünglichen Heimat dieser Neuweltkamelide, sondern auch in Österreich. Ob in der Steiermark, Tirol oder im Weinviertel: Wandern mit Lamas als Lastenträger oder mit Alpakas als Begleiter an der Leine ist in.

„Lamas sind größer und können Lasten tragen. Alpakas sind kleiner und werden meist wegen ihrer guten Wollqualität gezüchtet“, erklärt Agnes Dadak, Pharmakologin an der Vet-Med-Uni Wien. Ihre Kollegin Sonja Franz von der Abteilung für Wiederkäuermedizin bestätigt: „Das feine Haarkleid der Alpakas wird auf immer bessere Qualität gezüchtet. Sie kennen sicher feine Alpakaschals, aber es gibt auch teure Anzüge aus Alpakawolle.“ Auch zur Weidepflege oder als Therapietiere sind Neuweltkamelide beliebt.

Die beiden Veterinärmedizinerinnen arbeiten seit Jahren mit diesen speziellen Tieren, in Österreich gibt es etwa 6000 Alpakas und Lamas in privater Haltung. „Wenn Tiere erkranken, werden sie zu uns in die Tierklinik gebracht, oder wenn es ein Problem im Bestand gibt, machen wir innerhalb Österreichs auch Betriebsbesuche“, sagt Franz.

Doch es gab seit jeher ein Problem: Für Neuweltkamelide wurden in Europa keine tierartgerechten Präparate entwickelt. „Tierärzte müssen deshalb Arzneien, die für andere Lebensmittel liefernde Tiere wie Rinder oder Schafe konzipiert wurden, für Alpakas und Lamas umwidmen“, berichtet Dadak. Manche Wirkstoffe haben sich aber als ungeeignet oder unverträglich für diese Tiere herausgestellt. Andere vertragen sie zwar, es ist aber unklar, welche Dosierungen anzuwenden sind. Manche Arzneien müssen höher dosiert werden als bei anderen Tierarten. Von einem Mittel gegen kleine Leberegel für Schafe hätte man dem Lama 300 Milliliter einflößen müssen – oder 13 Pasten in das Maul drücken, die für Pferde entwickelt wurden.

Große Mengen unpraktikabel

„Lamas sind ja bekannt dafür, dass sie etwas, das ihnen nicht schmeckt, einfach ausspucken“, sagt Dadak. Es war völlig unpraktikabel, diese großen Mengen des Mittels gegen kleine Leberegel in die spuckfreudigen Tiere hineinzubekommen. Da die Erkrankung bei Neuweltkameliden aber zu schweren Leberschäden führt, und in Österreich, Deutschland und der Schweiz mehrere Tiere bereits nach schwerem Befall verendet waren, suchten die Wissenschaftlerinnen nach einer Lösung.

Sie entwickelten eine Paste, die den Tieren gut schmeckt, damit sie sie nicht ausspucken, und die eine hohe Wirkstoffkonzentration in einem kleinen Volumen beinhaltet. Die Paste ist nun patentiert und erfolgreich im Einsatz gegen die Erkrankung bei Lamas und Alpakas.

Paste hat pflanzlichen Touch

Was muss drinnen sein, damit es den Tieren schmeckt? „Es ist weder süß noch salzig. Die Paste hat einen eher pflanzlichen Touch“, sagt Dadak. Der Vorteil der Entwicklung: Diese für Lamas und Alpakas wohlschmeckende Paste kann nun für alle möglichen Krankheiten neu designed werden.

„Es handelt sich um eine Matrix, in die man vielerlei Wirkstoffe verarbeiten kann“, betont die Pharmakologin Dadak. In der Pipeline haben sie bereits Pasten gegen weitere Erkrankungen, etwa gegen Magen-Darm-Würmer.

Die Suche nach der richtigen Dosis für Neuweltkamelide läuft jeweils über aufwendige Therapiestudien. Und Sonja Franz fügt hinzu: „Weil Lamas und Alpakas zu den Lebensmittel liefernden Tieren zählen, ist der Arzneischatz, den man anwenden darf, eingeschränkt.“ Viele Wirkstoffe, die man Hunden oder Katzen geben kann, sind bei Lebensmittel liefernden Tieren nicht erlaubt.

Wieso war es nicht möglich, sich an der Erfahrung in der Heimat der Tiere zu bedienen? „In Südamerika haben die Neuweltkamelide durchaus andere Erkrankungen und Probleme“, sagt Franz. Neuweltkamelide brauchen in Europa andere Präparate, da sie hier mit europäischen Krankheiten konfrontiert sind und noch dazu mit einem Klima und Pflanzenangebot zurechtkommen müssen, an das sie evolutionär nicht angepasst sind.

LEXIKON

Neuweltkamelide gehören mit den Altweltkamelen (Dromedar und Trampeltier) zu den Kamelen. Die Neuweltkamelide Vikunja und Guanako findet man in Europa vornehmlich in Tiergärten. In privater Haltung sind Lamas und Alpakas beliebt. Sie sind anfällig für Krankheiten des Magen-Darm-Trakts, verursacht durch Parasiten oder Bakterien. Die Vet-Med-Uni Wien forscht v. a. an Arzneien gegen Endoparasiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2016)

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