Was Wasser mit Papierfasern alles anstellt

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Zellstofftechnik. Grazer Forscher durchleuchten Papier bis in die kleinste Faser. Ihre Daten sollen Grundlage sein für Papier, das sich je nach Anforderung perfekt verhält: bei der Produktion, im Drucker und bei der Nutzung im Alltag.

Papier nutzen wir im Alltag oft ohne Gedanken daran, was es alles leisten muss. Die Küchenrolle soll Wasser aufnehmen, die Fasern dabei nicht reißen. Zeitungspapier nimmt Wasser schneller auf, als uns lieb ist: Unter der nassen Kaffeetasse wölbt es sich. Das Papier im Drucker hingegen soll sich mit flüssiger Tinte schnell verbinden, ohne dass etwas verrinnt – Luftfeuchtigkeit soll aber abgewiesen werden. Auch Verpackungspapier soll wasserabweisend sein . . .

An der TU Graz eröffnete diese Woche ein Christian-Doppler-Labor, das die Eigenschaften von Papierfasern bei Kontakt mit Wasser bis ins kleinste Detail erforschen will. Nach einem 2014 ausgelaufenen CD-Labor ist das CD-Labor für Faserquellung und deren Effekt auf die Papiereigenschaften nun bereits das zweite große Konsortium zu Papierfragen der TU Graz.

Ulrich Hirn vom Institut für Papier-, Zellstoff- und Fasertechnik leitet das neue CD-Labor, das vom Wissenschaftsministerium und von Industriepartnern finanziert wird: „Holz- oder Zellstofffasern ziehen Wasser stark an und sind sehr saugfähig.“ Sowohl zwischen den Fasern wird Wasser aufgenommen als auch in jeder Faserwand selbst.

Fasern mit Wasserkontakt

„Ohne die Quellung der Fasern gäbe es kein Papier: Durch Wasser können sich die Fasern voneinander lösen. Und sie brauchen die Quellung, um sich wieder neu zu verbinden, wenn man etwa Papier herstellt“, erklärt Hirn. Auch Recycling wäre ohne Faserquellung nicht möglich: Wasser löst die Fasern der alten Papiere, die gequollenen Fasern verbinden sich neu.

Das CD-Labor will nun tiefer ins Papier hineinblicken als je zuvor. „Jede einzelne Faser ist etwa ein bis drei Millimeter lang und 10 bis 30 Mikrometer breit“, erklärt Hirn. Sein Team misst, wie sich die Fasern mechanisch verhalten, wenn sie mit Feuchtigkeit in Kontakt kommen und wenn sie wieder trocknen. Wie verändert sich die Elastizität? In welche Richtung ist die Faser steifer? Wovon hängt es ab, ob die Faserwand viel oder wenig Wasser aufnimmt? „Aus all diesen Daten erstellen wir Modelle, die das Netzwerk der Fasern abbilden: Damit kann man das Verhalten von Papier bei Feuchtigkeitseinfluss simulieren“, sagt Hirn.

Diese Simulationen sind notwendig, da bei der Herstellung von industriellen Großdruckern immer mehr auf virtuelle Prototypen gesetzt wird als auf teure Hardware für Testzwecke. Jede Generation von Druckern wird zuerst als Simulation entworfen, dabei muss auch klar sein, wie sich das Papier darin verhält. Bei High-Speed-Inkjet-Druckern in Druckereien muss die Tinte in nur 0,15 Sekunden fest mit dem Papier verbunden sein ohne zu verrinnen. Daher ist der Industriepartner Océ, Teil der Canon-Gruppe, an Daten zu Fasernetzwerken interessiert.

Trocknen ist teuer

Zweiter Partner ist Mondi Uncoated Fine and Kraft Papers aus Wien: Die Papierfertiger wollen wissen, wie man die Faserquellung selbst verändern kann. „An der Außenseite der Fasern braucht man Wasser für die stabile Bindung im Papier. Doch im Inneren der Fasern soll wenig Wasser sein, denn das muss man am Ende der Papierproduktion mit hohem Energieverbrauch aus den Fasern heraus trocknen, was teuer ist“, sagt Hirn.

Damit gehen dem Team der Papier- und Zellstofftechniker, Zellulosechemiker und Physiker im CD-Labor bis 2023 die Fragen rund um die Papierfasern sicher nicht aus.

LEXIKON

Christian-Doppler-Labore werden von der Christian-Doppler-Gesellschaft betrieben und laufen maximal über sieben Jahre. Seit 1995 wurden über 165 CD-Labors gegründet, die anwendungsorientierte Forschung und Grundlagenforschung verbinden. Öffentliche Gelder kommen hauptsächlich aus dem Wissenschaftsministerium. Jedes CD-Labor wird auch von den Industriepartnern finanziert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2016)

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