Woher kommt und woran hängt die Intelligenz?

(c) Sarah Benson-Amram
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Wenn es um das Lösen technischer Probleme geht, ist die relative Größe des Gehirns entscheidend, zumindest ist sie das bei Raubtieren, die in Zoos gehalten werden.

Hat die Größe des Schädels bzw. dessen, was in ihm ist, irgendeine Bedeutung für die Intelligenz, ist ein Pottwal mit seinem Neun-Kilo-Gehirn klüger als eine Wüstenameise mit ihren 0,00028 Gramm? Na ja, die kann man vielleicht nicht vergleichen, der eine ist ein Säugetier, die andere ein Insekt, und zwar ein soziales. Ist ein Wal also klüger als eine Maus mit ihren 0,3 Gramm Gehirn? Wer je eine Mäuseplage hatte, wird es bezweifeln, aber auch dieser Vergleich hinkt, die ganzen Körper sind ja unterschiedlich groß. Und was die Gehirne für sie leisten müssen, ist auch völlig verschieden, sie führen andere Leben, haben andere Probleme zu lösen.

Die Fähigkeit, das zu tun, ist „Intelligenz“, darüber herrscht Minimalkonsens unter Biologen, sonst ufern die Definitionen verschieden aus. Auch über die Bedeutung der Größe des Gehirns herrscht wenig Klarheit: Unseres – 1,2 Kilo, es schwankt individuell stark – ist deutlich kleiner als das des Wals. Und das vieler Affen ist kleiner als das vieler Huftiere. Liegt es also an der relativen Größe? Unter den großen Säugern liegt der Mensch mit zwei Prozent Anteil an der Körpermasse vorn, aber ausgerechnet bei den Kleinsten, den Spitzmäusen, sind es zehn Prozent. Liegt die Intelligenz also vielleicht am „Verhirnungsgrad“ („encephalization-quotient“)? Der gibt die Gehirngröße an, die bei einer bestimmten Körpergröße zu erwarten wäre bzw. die Abweichung davon. Oder liegt sie an der Größe nicht des gesamten Gehirns, sondern einzelner Regionen? Oder liegt sie an der Organisation?

Futter gut sichtbar, schwer erreichbar

Der endlosen Zahl der Fragen steht eine eher magere experimentelle Klärung gegenüber, sie beschränkt sich auf wenige Tierarten, denen man höhere Intelligenz zuspricht: Primaten, Meeressäuger, Elefanten (zuletzt kamen Rabenvögel dazu). Aber andere haben in ihrem Leben auch Probleme zu lösen, die von der Kognitionsforschung bisher vernachlässigten Raubtiere etwa. Wie es bei ihnen aussieht, hat Sarah Benson-Amram (University of Wyoming) erkundet, an 140 Tieren von 39 Arten – von Eisbären bis zu Fischottern – in verschiedenen US-Zoos. Die mussten alle das gleiche Problem lösen: Ihnen wurde Futter in einer Box präsentiert, gut sichtbar und gut riechbar. Aber nicht einfach erreichbar, ein Verschluss musste entriegelt werden, in maximal 30 Minuten.

Die Boxen waren an die Körpergröße angepasst, der Inhalt an die Vorlieben: Tiger wurden mit Ziegen gelockt, Otter mit Fischen, Pandas – die mit getestet wurden, warum auch immer – mit Bambus. Am besten schnitten Bären ab, ganz schlecht Meerkatzen und Mangusten. Ein Zusammenhang zeigte sich, der mit der relativen Hirngröße (Pnas 25. 1.).

Völlige Fehlanzeige gab es hingegen beim „sozialen Gehirn“, das ist die in der letzten Zeit prominent gewordene Hypothese, das Leben in Gruppen schärfe das Gehirn. Das tut es vielleicht für Angelegenheiten des Soziallebens, aber nicht für das Lösen technischer Probleme. Und dann gab es noch einen seltsamen Fund: Vom Körper her eher kleine Tiere taten sich generell leichter. Das mag daran liegen, dass es vor dem Test 24 Stunden nichts zu fressen gab, erwägt Benson-Amram, die auch sonst weiß, dass das Forschen an Zootieren wenig über frei lebende sagt, aber oft viel über unterschiedliche Haltungsbedingungen in den Zoos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2016)

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