Der Dürrnberg gibt immer noch viele Rätsel auf

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Der Dürrnberg bei Hallein gehört zu den wichtigsten Fundstätten der mitteleuropäischen Eisenzeit. Rund 400 offen gelegte Gräber, viele Siedlungsreste und die Spuren des prähistorischen Salzabbaus bergen bis heute viele Geheimnisse.

Knochenreste, Pfeilspitzen, Keramikgefäße, Schwerter, Helme, Arm- und Halsreifen, Fibeln, Werkzeuge aus Holz und Eisen: Holger Wendling, der wissenschaftliche Leiter der Dürrnbergforschung, kann über einen Mangel an Forschungsobjekten nicht klagen. Ganz im Gegenteil: Das, was in den vergangenen 200 Jahren aus rund 400 Gräbern auf dem Dürrnberg bei Hallein geborgen wurde, gehört zu den bedeutendsten und umfangreichsten Funden der mitteleuropäischen Eisenzeit.

Um 1820 wurden die ersten Gräber entdeckt. Besonders in den 1970er- und 1980er-Jahren gab es wegen vieler Bauprojekte systematische Grabungstätigkeit. Binnen kurzer Zeit wurden mehr als 200 Gräber frei gelegt und erfasst. Für die umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung der gemachten Funde fehlten aber die personellen und finanziellen Kapazitäten.

Eisenzeit besser verstehen

Seit Wendling vor drei Jahren ans Salzburg-Museum gekommen ist, bemüht er sich mit seinem Team deshalb darum, hinter das zu blicken, was die Funde über das Leben in der Eisenzeit am Dürrnberg erzählen können. Allein in den vergangenen drei Jahren wurden fünf Bände über die Grabfunde und die damit verbundene Geschichte der Bestattungskultur publiziert.

Die Menschen, die bei den Salzlagerstätten über Hallein gesiedelt haben, geben immer noch viele Rätsel auf. Rätsel, zu deren Lösung Wendling mit seiner Forschung beitragen will. So weiß man bis heute nicht, woher die Leute, die sich um 450 vor Christus auf dem Dürrnberg angesiedelt und mit dem Salzabbau begonnen haben, eigentlich gekommen sind.

Dass es eine große Gruppe von Kelten war, die da im prähistorischen Salzburg eingefallen ist, hält Wendling nicht für wahrscheinlich. Er spricht überhaupt lieber von Menschen der Eisenzeit und nicht von Kelten. „Wir wissen nicht, ob es Kelten waren und ob sich die Menschen damals als solche verstanden“, sagt der Archäologe. Möglicherweise kamen die ersten Siedler auf dem Hochplateau über Hallein vom Hellbrunner Berg. Dort hatte es eine reiche Siedlung gegeben, die Herrscher könnten den Impuls für den Salzabbau gegeben haben. Aus dem nicht so weit entfernten und damals hoch entwickelten Hallstatt dürften sie jedenfalls nicht gewesen sein, ist Wendling überzeugt und verweist auf die Werkzeuge der prähistorischen Bergleute, die sich deutlich unterschieden: Während in Hallstatt Pickel aus Bronze verwendet wurden, bauten die Bergleute auf dem Dürrnberg das Salz mit Pickeln aus Eisen ab.

Fluss vernetzte Menschen

Für wahrscheinlicher hält er einen technischen Austausch zwischen den Kupferbergleuten bei Bischofshofen und dem frühen Salzabbau in Hallein. Durch die naheliegende Salzach, die seit Jahrtausenden eine wichtige Verkehrsroute zwischen Norden und Süden war, waren die Siedler auf dem Dürrnberg jedenfalls gut vernetzt. Der Salzhandel blühte und brachte großen Reichtum. Die Blüte des eisenzeitlichen Stils mit verzierten Masken, Fratzen und Monstern auf Schmuckgegenständen und Waffen war auch von Etruskern und Griechen beeinflusst, erzählt Wendling. Die berühmte Dürrnberger Schnabelkanne ist ein eindrucksvolles Beispiel dieser hoch entwickelten Kultur.

Im Fokus seiner Forschungsarbeit steht derzeit die Bestattungskultur auf dem Dürrnberg. Charakteristisch war die Nachbestattung. Die Menschen auf dem Dürrnberg hatten Grabkammern, in die über die Jahrzehnte immer wieder Tote gelegt wurden. „Es muss also einen Zugang gegeben haben“, sagt Wendling.

Bis zu 17 verschiedene Individuen wurden in einer Kammer gefunden. Ob die Toten dabei in verwandtschaftlichen Beziehungen standen, lässt sich mangels DNA-Analysen noch nicht sagen.

Tote wurden halbiert

Klar ist aber, dass die Leute auf dem Dürrnberg ihre Toten zum Teil in der Mitte auseinandergeschnitten haben, um sie in der Grabkammer abzulegen. Ob sie dabei bestimmten Ritualen folgten oder ob es schlichtweg eine pragmatische Lösung war, um die Toten im Grab besser schlichten zu können, ist noch unklar.

Wenn nur mehr die Knochen übrig waren, wurden die Reste mit den Grabbeigaben auf die Seite geräumt, um Platz zu schaffen. Die Wände der Kammern waren aus Holz, es gab eine Einfriedung aus Steinen. Darüber wurde ein Hügel aus Erde aufgeschüttet. Manchmal wurden auch mehrere Grabkammern übereinander errichtet. Die Toten erhielten für ihren Weg in das Jenseits Schmuck, Gefäße mit Getränken und Speisen sowie Waffen.

Die Eisenzeit kannte auch Brandbestattungen. Auch hier rätseln die Forscher, ob das einfach die Mode einer bestimmten Zeit war, oder ob Verbrennungen eine Frage des Platzmangels oder von Krankheiten gewesen sind.

Bis 2018 will Wendling die wissenschaftliche Aufarbeitung der Gräber abschließen und die Ergebnisse publizieren. Mittels DNA- und Isotopenanalysen von Knochenfunden könnte mehr über Verwandtschaftsverhältnisse und die geografische Herkunft der Menschen vom Dürrnberg herausgefunden werden.

In einem nächsten Schritt wollen sich die Wissenschaftler wieder stärker den Siedlungsresten und der Montanarchäologie in Hallein widmen. So weiß man heute noch nicht, warum die hoch entwickelte Besiedlung des Dürrnbergs einige Jahrzehnte vor Christi Geburt wieder abgebrochen ist. Und warum die Römer dann nicht in den alten Stollen Salz abbauten, sondern ihre Produktionsstätten bei Bad Reichenhall einrichteten.

Lexikon

Der Dürrnberg bei Hallein, Salzburg, ist durch die Kombination aus Gräbern, Siedlungen und Salzabbau einer der umfassendsten Funde der Eisenzeit in Mitteleuropa. Die Eisenzeit beginnt um 800/750 v. Chr. und endet in Österreich mit der Besetzung des Landes südlich der Donau durch die Römer um 15 v. Chr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2016)

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